37° - GESCHICHTEN AUS DEM LEBEN
ZDF 37°-Reportagen sind authentisch und gehen unter die Haut. Es werden Geschichten mitten aus dem Leben erzählt und Menschen begleitet, die an einem wichtigen Wendepunkt in ihrem Leben stehen: beruflich, familiär oder auch ganz persönlich.
Vermisst - wenn Menschen spurlos verschwinden
Jedes Jahr werden in Deutschland 100.000 Menschen als vermisst gemeldet. Die meisten tauchen nach zwei bis vier Tagen wieder auf, doch tausende bleiben verschwunden. Wie gehen Verwandte damit um? Welche Möglichkeiten haben sie, nach den Vermissten zu forschen? Unser 37°-Film widmet sich zwei Vermisstenfällen und geht der Frage nach, wie die Familienangehörigen die Ungewissheit verarbeiten.
Kinderbetreuerin Anna verschwindet im Juni 2019. Ihre Zwillingsschwester Edith und Mann Dirk sind sich von Anfang an sicher: ihr muss etwas zugestoßen sein. Es gehen Monate ins Land. Tränen und Trauer begleiten die Familie täglich. Im Laufe unserer Dreharbeiten dann die Wende im Fall Anna: Im November 2019 steht die Polizei vor der Tür und bringt der Familie die traurige Nachricht: Anna ist tot, sie wurde ermordet. Die Polizei hat einen Mann verhaftet, der Videos besitzt, auf denen die tote Anna zu sehen ist. Es handelt sich um eine Person, gegen die die Familie bereits einen Verdacht hegte. Doch die grausige Gewissheit bringt keine Ruhe. Annas Leiche wurde bisher nicht gefunden, weil der mutmaßliche Täter schweigt. Der katholischen Familie bleibt bislang der letzte Trost verwehrt. Sie können sich nicht würdevoll bei einem Begräbnis von Anna verabschieden.
Auch Petra und Stephanie, die ältere und die jüngere Schwester von Heidi D. glauben nicht, dass Heidi Opfer eines zufälligen Verbrechens ist. Im November 2013 wurde die 49 Jährige Postbotin zuletzt in der Nähe ihres Zuhauses in Nürnberg gesehen. Seither fehlt jede Spur. Fünf Tage nach ihrem Verschwinden leitet das Bundeskriminalamt eine öffentliche Fahndung ein. Ohne Ergebnis, doch da man Heidis Portemonnaie, ihren Personalausweis und ihr Handy in ihrem Haus findet, gehen die Fahnder von einem Gewaltverbrechen aus. Über sechs Jahre sind seither vergangen, in denen die Schwestern eine Achterbahn der Gefühle durchleben mussten. „Wir haben uns ein Versprechen gegeben“, sagen Petra und Stephanie, „wir kämpfen für die Wahrheit bis zum Schluss“.
Wir ticken anders - Leben mit Tourette
Unkontrollierte Zuckungen, merkwürdige Töne, manchmal obszöne Ausbrüche: Menschen, die die Krankheit Tourette haben, erregen meist negative Aufmerksamkeit. Wie werden sie damit fertig?
Die 37 Grad-Reportage"Wir ticken anders" begleitet zwei Protagonisten, die an Tourette leiden: Schülerin Pauline und Jungpolitiker Bijan Kaffenberger. Wie gehen sie mit ihrer Krankheit um? Wie erleben sie die Reaktionen der Mitmenschen? Worüber können sie trotz des Leidens auch lachen?
Im Frühjahr 2019 kam für die 17-jährige Pauline die Diagnose Tourette. Zu Beginn der einjährigen Dreharbeiten hofft Pauline noch auf ein Wunder. "Manchmal habe ich sehr gute Tick-Tage, dann ticke ich wenig und habe die Hoffnung, es wird besser." Pauline versucht, trotz Tourette-Diagnose und einer Vielzahl von Arztterminen, in Berlin ihr Abitur zu machen. Doch das erfordert Kraft und Selbstbewusstsein. Die Krankheit zeigt sich unberechenbar, immer wieder kommen neue Symptome dazu. "Die schlimmste Erfahrung ist, Pauline nicht helfen zu können", sagt Ute und drückt ihre Tochter innig an sich. Die zwei halten zusammen und hoffen, trotz Tourette den Weg in ein normales Leben zu finden.
Jungpolitiker Bijan Kaffenberger aus Darmstadt leidet bereits seit dem Grundschulalter an den Ticks. "Klar gab es Leute, die mich nachgemacht haben und einfach gemein waren. Ich glaube aber, dass viele Leute mit einem Handicap in manchen Punkten stärkere Menschen sind. Man kann daran wachsen.", so Bijan. Er galt als Zappelphilipp, der seinen Kopf heftig nach hinten warf und manchmal eine Halskrause tragen musste. Seine Großeltern, bei denen Bijan aufwächst, können mit den seltsamen Symptomen nichts anfangen. So vergehen Jahre, bis tatsächlich die Diagnose Tourette-Syndrom gestellt wird.
Dennoch wollte Bijan schon als Schüler in die Politik gehen. Der heute 30-Jährige hat sein Abitur und ein Volkswirtschafts-Studium abgeschlossen. Statt Rückzug hielt er als Abgeordneter Einzug in den Hessischen Landtag. Jeden Tag besucht er Sitzungen und trifft verschiedene Menschen. Viele haben sich daran gewöhnt, dass seine Hand öfter mal ausrutscht und Zentimeter unter ihrer Nase landet oder sein Kopf zur Seite kippt. Aber seine Ticks verletzen niemanden - auch sprachlich nicht.
Bijans Humor blitzt dann auf, wenn es um seine Einschränkungen geht: "Ach, was ist schon Behinderung? Ich sehe jeden Tag eine Menge Leute, die vermeintlich keine Behinderung haben und sich selbst dennoch unglaublich im Wege stehen."
Neue Heimat Mallorca - Geplatzte Träume im Urlaubsparadies
Die Realität des Lebens im Urlaubsparadies
Für viele Deutsche ist Mallorca ein begehrter Wohnsitz geworden, auch im Ruhestand. Knapp 20.000 sind offiziell auf der Insel gemeldet. Doch auch hier kann das Schicksal zuschlagen. Was verändert sich, wenn die Träume vom Leben unter Palmen platzen?
Die "37 Grad"-Sendung begleitet Menschen, die sich eine neue Heimat auf Mallorca aufgebaut haben, deren Traum vom sorgenfreien Leben aber nicht erfüllt wird. Der Film zeigt die Realität des Lebens im Urlaubsparadies, das härter, komplizierter und einsamer sein kann, als sich viele das ausgemalt haben. Insbesondere durch Krankheiten, die das Leben gravierend verändern, können Auswanderer durch das soziale Netz fallen.
Die Job-Auswahl ist begrenzt
Tina kam 2013 mit ihrem Sohn aus Erlangen nach Mallorca. Da hatte die heute 51-Jährige schon ein buntes Berufsleben als Fremdsprachenkorrespondentin, Tanzlehrerin und Gastronomin hinter sich. Tina hatte immer vom Leben im Süden geträumt. Jetzt zieht sie eine bittere Bilanz: Tina hat kein Auto, keinen festen Job und eine Mini-Wohnung, in der die Wände schimmeln. "Manchmal weiß ich nicht, ob ich im nächsten Monat noch Miete zahlen und was zu essen kaufen kann oder ob ich zurück nach Deutschland muss."
Die Erlangerin spricht fließend Spanisch, doch im Alter über 50 ist die Job-Auswahl im Saisongeschäft auf der Urlaubsinsel begrenzt. Es gibt nur Zeitverträge von einigen Monaten, mehr als 1.200 Euro verdient sie damit nicht - zu wenig, während die Mietpreise explodieren. Ein soziales Sicherungsnetz fängt die Deutsche nicht auf: Arbeitslosengeld bekommt nur, wer über längere Zeiträume einen festen Arbeitsvertrag in Spanien hatte. An Weggehen will Tina dennoch nicht denken: "Ich will das hier schaffen. Ein Neuanfang in Deutschland ist genauso schwer." Ihr Kontostand reicht für die nächsten Wochen. Als Tanzlehrerin unterrichtet sie gerade ein paar deutsche Rentner. Aber dauerhaft ist das wieder keine Lösung.
Rentnerglück sieht anders aus
Finanzielle Sorgen hatten Ex-Manager Ralf (69) und Ulla (71) nicht, aber die Gesundheit machte in Deutschland beiden zu schaffen. Aus Liebe zu Mallorca bauten sie 2000 eine Traumfinca in den Bergen der Insel. Vor einigen Jahren kam dann der Einbruch: Ulla erkrankte an Parkinson. Auf der Insel gibt es teure Privatkliniken, doch die 71-Jährige ist Kassenpatientin, und spanische Insel-Krankenhäuser sind auf solche Erkrankungen nicht eingestellt. Zahllose Male musste Ulla nach Deutschland fliegen und bekam letztlich einen Gehirnschrittmacher.
Die Krankheit hat das Leben des Paares nun stark verändert. Das Haus in den Bergen mussten sie verkaufen und in eine Mietwohnung ziehen, weil Ulla die vielen Stufen nicht mehr laufen kann. Die deutschen Freunde vom Golfplatz und in den Clubs halten noch zu dem Paar, doch Rentnerglück sieht anders aus. "Ich weiß gar nicht mehr, wann wir beide mal von Herzen gelacht haben", sagt Ulla nachdenklich. "Manchmal denke ich einfach, wenn Ralf eine gesunde Frau hätte, hätte er nicht so viel Kummer."
Der 69-jährige Manager kümmert sich liebevoll um Ulla, gesteht aber auch: "Manchmal leide ich unter der Krankheit mehr als meine Frau und muss aufpassen, dass ich nicht depressiv werde." Ulla zahlt nun die Kosten der monatlichen Behandlungen in einer Privatklinik, weil sie sich dort besser versorgt fühlt. Aber wie lange noch? Die Krankheit schreitet unaufhaltsam voran, doch Ralf und Ulla wollen eigentlich nicht zurück nach Deutschland.
Bei Krankheit kann der Traum platzen
Die Jobbörse vom Inselradio hat Christine (53) permanent im Blick. 2005 kam die gebürtige Schwarzwälderin mit ihrem 22 Jahre älteren Mann Dieter nach Mallorca. 45 Jahre hatte Rentner Dieter (75) als Monteur und Gastronom gearbeitet und schon seit den 60er Jahren davon geträumt, irgendwann für immer auf "seiner" Insel zu leben. Das Meer, die Steilküste, die langen Strände und Promenaden, das milde Klima, ein schöner Lebensabend. Mit Dieters Rente von 700 Euro und Christines Verdienst als spanischsprechende Reiseleiterin wollten die beiden es sich gut gehen lassen. Sie mieteten eine kleine Wohnung am Hafen von Arenal.
Doch dann bekam Dieter einen Schlaganfall: Die Behandlung im Insel-Krankenhaus war gut, doch der Ärger begann mit der Pflegestufe. Dieter muss seine Kosten selbst tragen, Sachleistungen - wie in Deutschland - gibt es nicht. Christine pflegt ihren halbseitig gelähmten Mann allein, dennoch muss sie arbeiten, um über die Runden zu kommen. Einmal pro Woche reist sie während der Ferienzeit mit Touristen über Mallorcas Traumstraße, dann muss Dieter allein zurechtkommen. Halbtägige Gelegenheitsjobs wie Putzstellen in den Fincas von reichen Deutschen helfen, finanzielle Engpässe zu überbrücken. Doch die Kräfte der 53-Jährigen schwinden unter der Dauerbelastung. Christines größte Angst ist, dass sie selbst krank wird: "Dann müssen wir zurück nach Deutschland, für Dieter wäre das ein Albtraum."
37° - Chronisch überlastet – Notfallmediziner im Dauerstress
Unfälle, Herzinfarkt, Husten - immer mehr Patienten überlasten die Notfallambulanzen. Die Folge: Dauerstress, das Personal am Limit. Die Sendung zeigt die Not der Retter am Klinikum Ingolstadt, 72.000 Notfallpatienten werden dort jährlich behandelt. Arzt Stephan E. und Schwester Julia N. kommen im Schichtdienst an ihre Grenzen, fühlen sich selbst oft als Notfälle. Wie lange halten sie den Stress noch aus?
Assistenzarzt Dr. Stephan E. (36) hetzt seit zehn Stunden durch die Notaufnahme am Klinikum Ingolstadt. Keine Pause, kein Kaffee und kein schnelles Brötchen. 51 Patienten warten. Schwester Julia N. (31) behandelt zeitgleich eine Frau mit einem Abszess. Seit acht Jahren arbeitet die erfahrene Krankenschwester hier, doch nie war sie so am Limit wie jetzt. "Mich ärgert, dass wir viele Notfälle nicht so behandeln können, wie wir möchten, weil die Notaufnahmen mit Patienten verstopft sind, die alle zum Hausarzt könnten", klagt sie.
Statt zum Hausarzt in die Notaufnahme?
Tatsächlich sind 30 bis 40 Prozent der Patienten ein Fall für die Sprechstunde oder den Facharzt. Wieder ein Einsatz. Der Rettungsdienst bringt einen intubierten Mann nach einem schweren Verkehrsunfall. Auf den Gängen stauen sich die Patienten. Im Schockraum liegt eine Frau mit Kopfverletzung. Fahrradsturz. Stephan liebt eigentlich diesen Stress. Doch dieser Ansturm ist zeitlich, körperlich und seelisch schwer zu bewältigen. "Und dann kannst du irgendwann nicht mehr garantieren, dass du alles merkst, siehst und pufferst. Irgendwann ist die Grenze erreicht", sagt der junge Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Am Ende einer langen Schicht wartet dann noch die Bürokratie, Patientenakten müssen ausgefüllt werden. Auch dieser Aufwand nimmt ständig zu.
Rund 18 Millionen Menschen werden in Deutschland jährlich in den Notaufnahmen behandelt. Ihre Zahl hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Die Gründe sind unterschiedlich: viele Unfälle, immer mehr alte Menschen und vor allem Bagatellbeschwerden. Die Patienten kommen, weil Hausärzte fehlen und es Wochen dauert, einen Termin beim Facharzt zu bekommen. Sie kommen aber auch, weil die Notfallklinik binnen Stunden eine weitreichende Rundum-Diagnostik garantiert. Die Folge sind lange Wartezeiten, Überlastung der Ärzte und Pflegekräfte sowie Versorgungsengpässe. Dazu kommt das finanzielle Verlustgeschäft. 32 Euro bekommen die Kliniken im Durchschnitt für einen Notfall. Die tatsächlichen Kosten liegen bei 120 Euro. Bundesweit gehen so den Notaufnahmen nach Schätzungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft jährlich eine Milliarde Euro verloren.
Stressiger Alltag in der Notaufnahme
Ingolstadt ist ein riesiges kommunales Klinikzentrum mit 3.300 Mitarbeitern, 380 Ärzten und 1.150 Betten. 1.500 Notfallpatienten kommen jährlich mit dem Hubschrauber in die Notaufnahme, 5.300 Einsätze fährt der Notarztwagen. Der 37 Grad-Film zeigt den Alltag in der Notfallklinik Ingolstadt. Wie werden Ärzte und Krankenschwestern mit den zunehmenden Herausforderungen fertig?
37° - Schöner Mist
Elvira und Alex haben sich einen 300 Jahre alten Bauernhof im Südschwarzwald gekauft. Sie haben keinerlei Erfahrung mit Landwirtschaft. "37º" begleitet das Paar durch das erste Jahr. Elvira und Alex kannten sich erst eineinhalb Jahre, als sie für 240.000 Euro ein zwölf Hektar großes Land kauften. Dabei haben sie das Versprechen gegeben, den Hof zu bewirtschaften. Alex ist 40, Informatiker, Elvira, ist 38. Es ist für beide ein radikaler Neuanfang. Der Traum vom eigenen Hof, wie werden Alex und Elvira ihn im ersten Jahr umsetzen?
Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, müssen die Neu-Bauern lernen, denn das Abenteuer, Bauer zu werden, ist eine riesige Herausforderung. Sechs Hühner, vier Kühe, drei Katzen und der altersschwache Hund Timi bilden zusammen mit Alex und Elvira die Hofgemeinschaft. Doch die soll noch wachsen. In Zukunft wollen sie sich selbst versorgen und weitere Mitbewohner für den Hof gewinnen, die ebenso im Einklang mit Natur und Umwelt leben möchten, vor allem auch mit anpacken können. Denn die riesigen Felder und Waldflächen, die Tiere, Ställe, Obst-Bäume und Gemüse-Beete können die beiden nicht allein bewirtschaften.
Hinzu kommt: Traktoren und Maschinen sind nicht mehr auf dem neuesten Stand, und das große Bauernhaus aus dem Jahr 1780 ist stark renovierungsbedürftig. Heizung und Elektrik, vor allem der Dachstuhl und die Kellerbalken, brauchen teure Reparaturen. Dazu ist der unerfahrene Bauer mit den Alltags-Problemen des Hofes konfrontiert: Was tun, wenn die Kuh lahmt? Wie zähmt man den aggressiven Hahn, wie fällt man die Bäume? Wann wird Heu gemacht, und was passiert, wenn die Kuh einen Kaiserschnitt braucht?
Die erfahrenen Landwirte im Dorf beäugen das Paar anfänglich skeptisch. Doch zu dem hilfsbereiten Nachbarn Rolf entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Ständig gibt es neue Herausforderungen: Die Kuh "Wilde Hilde" macht Kummer, weil sie aggressiv ist. Alex entscheidet, dass sie geschlachtet werden soll. Doch am Ende des Jahres wird das Bauern-Paar mehr Kühe und Kälbchen haben als je gedacht. Elvira durchwacht manche Nacht auf dem Stroh im Stall. Elviras Mutter ist überrascht, wie ihre Tochter zur Landwirtin mutiert. Pflanzen, jäten, ernten, kochen, einmachen, das alles ist neu im Leben der Lehrerin, die vorher die ganze Welt bereist hat. Nun bestimmen Kartoffeln, Brokkoli, Sellerie, Kürbis und alle erdenklichen Kohlarten ihr Leben.
Doch es bleibt auch Zeit für Romantik: Das Paar will heiraten, und Elvira bereitet gegen Alex' Willen eine herrliche Bauernhochzeit vor. Ausgerechnet am Tag der Hochzeit kalbt die Kuh. Nach einem Jahr auf dem Hof wiegt Alex 20 Kilogramm weniger. "Etwas für die Landschaft zu tun, für die Tiere, für die Umwelt, anderen zu helfen, ja, das macht Sinn. Viele Dinge habe ich nicht mehr, die ich auch nicht gebraucht habe, und das ist unglaublich befreiend", resümiert Alex nach einem Jahr.
Schlaflos durchs erste Jahr - Das Abenteuer, Eltern zu werden
Das erste Jahr mit Kind krempelt das komplette Leben um, es ist das schönste und anstrengendste Jahr im Leben eines Paares. Die Tage werden lang, die Nächte kurz, aus Paaren werden Eltern, aus Fitness wird die Baby-Gruppe, statt Florida jetzt Nordsee, statt Penthouse jetzt die Gartenwohnung, aus Glamour-Girls werden Mamas und Papa macht Dinge, die ihm vorher peinlich gewesen wären. Alles nur Klischees? Rund 670.000 Kinder haben im vergangenen Jahr Frauen und Männer in Mütter und Väter verwandelt. Vier davon sind Anne und Philipp und Isabell und Andreas. 37° begleitet die beiden Paare durch ein sehr persönliches erstes Jahr mit Baby.
„Ich glaube, ich bin inzwischen nur noch Mama. Das Wichtigste auf der Welt ist, das es Noah gut geht.“ Fünf Mal hat Anne in der letzten Nacht ihren Sohn gestillt. Jetzt ist sie blass, mager, abgespannt. Manchmal vergisst sie selbst zu essen. Das Baby steht an erster Stelle. Anne ist 32 und Lehrerin und jetzt in Elternzeit. Drei Monatskoliken, Nabelbruch, Milchstau und nächtliche Fahrten in die Klinik hat die junge Mutter schon hinter sich gebracht. Papa Philipp macht das manchmal hilflos. Nach dem Studium arbeitet er gerade an seiner Karriere als Controller, schließlich will er seinem Sohn was bieten können. „Als Partner ist es schwierig, weil man dann irgendwann so gestresst wird. Philipp steht dann da mit weinender Frau und weinendem Baby, schon anstrengend“, sagt Anne. Tagsüber ist die junge Mutter viel alleine, die Anmeldungen zu diversen Baby-Kursen hat sie erst Mal sausen lassen, mit Noah ist der Tageablauf völlig unkalkulierbar geworden. Papa Philipp hat schon vor der Hochzeit eine schicke Dachgeschosswohnung ausgebaut, jetzt muss er erkennen, dass die familienuntauglich ist, was die Stimmung nicht aufhellt. Es macht ihn traurig, weil sich seine Frau nicht wohl fühlt. Noch trauriger ist für den jungen Vater der Verlust seiner eigenen Mutter vor dem ersten Geburtstag seines Sohnes. “Ich bin Kind und ich bin Vater. Anne und Noah fangen mich jetzt schon auf. Wäre ich jetzt allein, das wäre auf jeden Fall noch schlimmer.“ Manche Jahre sind vollgepackt mit Schicksalsschlägen und Ereignissen. Und das nicht nur, weil Baby Noah sich zu einem quirligen Kleinkind entwickelt und nichts mehr in der Wohnung sicher ist. Zentral in all den Monaten auch die Frage, was nach der Elternzeit passiert, denn Anne will nicht mehr in den alten Job in einer Abendschule zurück, und ebenso klar ist für ihren Mann, dass sie das zweite Einkommen brauchen. Ein Kind ist auch eine Bewährungsprobe für die Partnerschaft. „Ich glaub Philipp ist manchmal sauer, dass Noah so Mama fixiert ist.“ Und Philipp räumt ein, dass er eifersüchtig auf seinen Sohn ist. Und nicht nur das. „Anne ist eine Übermama. Ich bin aber auch der Meinung, dass da jetzt mal ein bisschen an der Stellschraube gedreht werden muss“, ist die Erkenntnis am ersten Geburtstag ihres Sohnes. Und Anne, die sich nicht vorstellen konnte, ihren Sohn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, freut sich nach der Elternzeit auf ihren neuen Job.
Isabel und Andreas sind erst spät Eltern geworden, mit 38 und 42 Jahren. 19 Jahre sind sie schon ein Paar und einander vertraut, doch seit der Geburt der Zwillinge ändert sich alles. Mit einmal gibt es Streit, wo es früher Kompromisse gab. Mit Kindern gibt es nur noch ja oder nein. „Bei der letzten Fütterung abends haben wir uns tief in die Augen geblickt haben uns für alles entschuldigt haben, was wir die nächsten acht Stunden zu einander sagen werden“, erzählt Andreas. Durchgeschlafen haben die beiden Finanzbeamten seit Monaten nicht mehr, denn bei Zwillingen ist immer eines der Babys wach. Josefine und Magdalene sind eineiige Zwillinge. Tag und Nacht im Doppelpack. „Ich hätte mir nie vorgestellt, dass man so wenig Schlaf hat, als Eltern“, sagt Isabell und weint. Seit sei Mutter geworden ist fließen die Tränen öfter, weil sie alles emotionaler betrachtet. Fern von allen Gefühlen sind es aber auch die Alltagsdinge, die dem Paar zu schaffen machen. Der Jaguar muss noch abbezahlt werden, ist aber als Familienkutsche ungeeignet – genauso wie das Wasserbett, in dem die Zwillinge wegen der Wärme nicht mit schlafen dürfen. Am Tag er Taufe gibt es Themen, die vorher niemals die Beziehung belastet hätten, weil Isabell übereifrig in Vorbereitungen, Dekoration und Planung wird. Resigniert stellt Andreas in den ersten Monaten mit seinen Töchtern fest: Diese Fremdbestimmung, die man bisher nur im Beruf kannte, ist jetzt auch plötzlich zuhause.“ Zwillinge heißt auch, die Eltern machen sich doppelt so viel Sorge. Die Kinderärztlichen Untersuchungen ergeben, dass die beiden zu früh geborenen Mädchen Entwicklungsverzögerungen aufzeigen. Isabel fühlt sich Schuld daran. Die ohnehin dicht organisierten Tage werden mit Krankengymnastik und Zwillinge-Kursen noch voller. Dazu kommt der mütterliche Stress, weil Isabel vergleicht. „Andere Kinder können sitzen, die können schon krabbeln und sind vielleicht noch einen Monat jünger“. Da hilft es wenig, wenn der Arzt beschwichtigt, es gäbe einen Riesenwettbewerb und ein ausgeprägtes Angebertum unter Müttern. „Ich würde sie manchmal gerne ein bisschen bremsen, dass nicht alles perfekt sein muss“, wünscht sich Andreas nach einem Jahr mit Kind von und für seine Frau.
37° hat die beiden Paare schon vor zwei Jahren während der Schwangerschaft und Geburt begleitet, nun zeigt diese Langzeit-Dokumentation, wie die Entwicklung der Familie weiter geht. Eines wird deutlich, es ändert sich alles: „ Man weiß gar nicht, was man vorher den ganzen Tag gemacht vorher. Hat man wirklich nur auf der Couch gesessen, und wenn ja, was tat man da“, fragt sich Andreas, und Papa Philipp konstatiert trotz alle Baby-Katastrophen „Papa zu sein ist geil.“
Einmal noch die große Liebe - Langzeitsingles auf der Suche
Geschätzte 20 Millionen Männer und Frauen in Deutschland sind derzeit Singles. Für viele ist das Single-Dasein kein Dauerzustand, sie verlieben sich neu im Netz. Andere bleiben jahrelang allein, obwohl sie durchaus bindungswillig sind. Woran scheitern Dauer-Singles? Wie kompensieren sie eine fehlende Partnerschaft? Und was tun sie, um vielleicht doch noch eine neue Liebe zu finden?
Esther ist 44 Jahre alt und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Die attraktive Blondine war schon zwei Mal verheiratet. Die große Liebe war nicht dabei. „Meine Ehen sind daran zerbrochen, dass ich mich weiter entwickelt habe und meine Männer nicht. Ich wollte keine Zeit verschwenden und habe mich getrennt. Dass es damit endet, dass ich die besten Jahre meines Lebens alleine verbringe, habe ich damals nicht geahnt.“ Gerade ist Esther mal wieder umgezogen, des Jobs wegen und um als Ausweg aus ihrer sozialen Isolation. Die 44-Jährige ist selbständig in der Kosmetikbranche. Auf ihr Aussehen legt sie großen Wert, es ist ihr Aushängeschild. Männern scheint sie damit falsche Signale zu senden. „Viele Männer meinen, dass ich auch nur für ein bisschen Spaß zu haben bin. Klar ist mir Sexualität wichtig und ich habe auch die letzten 10 Jahre als Single nicht als Mauerblümchen verbracht. Aber wenn es offensichtlich nur auf einen One-Night-Stand hinausläuft, da habe ich keine Lust drauf.“ Esther füllt ihre Einsamkeit mit Arbeit. So bekommt sie zumindest im Job die Bestätigung, die ihr Zuhause fehlt. Vor zwei Monaten starb ihre Mutter an Krebs. Bis zu ihrem Tod wurde sie von ihrem Ehemann gepflegt. Dieser Schicksalsschlag hat Esther erneut vor Augen geführt, dass sie ihr Singledasein ändern will. „Meine größte Angst ist es eigentlich, alleine zu sterben.“ Esther wagt einen neuen Versuch und meldet sich für einen Single-Kochkurs an…
Viola ist 34 Jahre alt und geht seit 10 Jahren alleine durchs Leben. Beruflich läuft es gut für die Singlefrau: sie ist verbeamtet und arbeitet an einer Förderschule für Sehbehinderte. Sie hat ein gutes Auskommen und will die Karriereleiter noch weiter nach oben klettern. In ihrem Liebesleben herrscht seit 10 Jahre eine Flaute. Zwar hat die gebürtige Niederrheinerin schon so einiges versucht, um Mr. Right zu finden, doch der will einfach nicht anbeißen. „Mein Problem ist, dass ich häufig über das erste Date nicht hinauskomme. Dann höre ich von den Männern, du bist eine tolle Frau, aber…. Was denn, aber? Ich glaube, dass die Männer Angst vor mir haben: ich sehe ganz gut aus, habe Karriere gemacht und möchte das auch noch weiter tun, verdiene gut und brauche keinen Ernährer.“ Mit 34 Jahren steht Viola mitten im Leben und genau da liegt in ihren Augen das Problem: „Der Markt in meinem Alter ist begrenzt. Die Männer, die da noch Single sind, sind das oft nicht ohne Grund.“ Regelmäßig besucht Viola ihre Eltern in der alten Heimat. Die sehen die anhaltende Beziehungslosigkeit ihrer Tochter kritischer und weisen sogar dezent auf Kontaktanzeigen oder Singlepartys hin. „Wir werden ja auch nicht jünger. Viola ist ein Einzelkind. Wir wollen nicht, dass sie eines Tages ganz alleine dasteht.“ Viola will die Gründe für ihr Singledasein ergründen und wendet sich an einen Singleberater…
Elke ist eine junggebliebene 60-Jährige und seit neun Jahren partnerlos. Nie hätte sie gedacht, dass sie in ihrem Alter mal als Single durchs Leben gehen würde.
"Früher haben die Männer Schlange gestanden," bemerkt Elke in ihrer humorvollen Art. Kaufmännische Angestellte oder Aerobic-Trainerin - Elke hat im Leben viel ausprobiert. Sie war mit einem Amerikaner verheiratet und hat drei erwachsene Söhne, die ihre Mutter ausführen und verwöhnen. Sie sehen das lange Single-Dasein kritisch: "Wir sind nicht immer in ihrer Nähe, wenn sie älter wird. Und dann ist das Alleinsein nicht gut." Die gebürtige Berlinerin kommt aus einer Familie mit acht Kindern, die Eltern sind lange geschieden. Dass sie selbst mal mit 60 nicht verheiratet ist, hätte sie nie gedacht. "Ich bin doch eigentlich viel zu schade um allein zu sein, denn ich habe sehr viel zu geben." Von Dating-Portalen will die in Augsburg lebende Elke nichts mehr wissen. Neuerdings schließt sie sich gern Freizeit-Treffs an, wo es einfach darum geht, gemeinsame etwas zu unternehmen. Den Rest des Lebens ganz ohne Liebe? "Wäre sehr schade", sagt Elke.
Hilfe, ich bekomme ein Baby – Männer im Kreißsaal
Vor 40 Jahren war es eine Revolution: Männer eroberten den Kreißsaal. Heute gilt es in vielen westlichen Gesellschaften als "normal", dass der werdende Vater bei der Geburt seines Kindes dabei ist, während es in anderen Kulturen immer noch unüblich ist.
Doch sind wirklich alle Männer freiwillige Geburtshelfer? Wie groß ist der emotionale und gesellschaftliche Druck, dass "Mann" in der Geburtsphase an die Seite seiner Frau gehört? Ist es für die Frau tatsächlich Beistand oder eher Belastung? Und was bedeutet es vor allem für den werdenden Vater, die Geburt seines Kindes mitzuerleben?
Die "37º"-Sendung begleitet Männer vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder. Sie zeigt sie in einer existentiellen Situation ihres Lebens und dokumentiert, wie sie den unvergleichlichen Moment erleben, wenn ihr Kind zur Welt kommt.
Anne und Philipp aus Oberhausen erwarten einen Sohn. Noah soll er heißen, da sind sich beide einig und auch darüber, dass der werdende Vater mit in den Kreißsaal geht. Nur über die Idee, wer sonst noch dabei sein sollte, gab es Gesprächsbedarf. Der 26-jährige Philipp hatte den Wunsch, seinen besten Kumpel mitzunehmen, "weil es uns Männer noch enger zusammenschweißen wird". Doch Anne verbannte den Freund vor die Kreißsaal-Tür. Der werdende Vater ist nicht nervös, er freut sich auf die Geburt des Sohnes. Aber die Frage, ob er seiner Frau bei der Geburt wirklich helfen kann, beschäftigt ihn.
Einen Geburtsvorbereitungskurs haben die zwei nicht besucht, um nicht die Horror-Geschichten anderer Paare zu hören. Eines weiß Philipp wenige Tage vor der Entbindung genau: "Ich will am Kopfende meiner Frau bleiben, damit ich unter der Geburt nichts sehe, was man(n) nicht sehen möchte."
“Die Nabelschnur durchschneiden, ist nichts für mich, das sollen lieber die Ärzte machen.” Andreas wird mit 42 Jahren Papa – von Zwillingen. Die beiden Mädchen werden wahrscheinlich per Kaiserschnitt zur Welt kommen, das wäre dem Finanzbeamten recht. Hauptsache, alles geht gut, denn die Hoffnung, Eltern zu werden, hatten Andreas und seine Frau Isabell schon aufgegeben.
Das Ehepaar hat eine Hormonbehandlung und schwere Zeiten hinter sich. Andreas liebt Kinder, Isabell fühlte sich wie eine Versagerin, weil sie nicht schwanger wurde, sogar ein Adoptionsverfahren haben sie durchlaufen. Nun sind die werdenden Eltern gestresst, denn beide haben Angst, ob wirklich alles in Ordnung ist. Isabell arbeitet nur noch halbtags und schont sich, während Andreas immer mehr Aufgaben übernimmt – obwohl er eher konservativ ist und eine traditionelle Rollenverteilung im Haus bevorzugt. Nun will er sogar noch einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen, auch wenn es ein bisschen peinlich werden könnte. Wird Andreas bei der Geburt seiner Frau Isabell hilfreich zur Seite stehen?
Daniel und Nancy haben schon eine Fehlgeburt hinter sich. Doch in wenigen Wochen wird die 23-jährige Arzthelferin endlich Mutter. Der werdende Vater Daniel (26) will bei der Geburt dabei sein, doch er hat Sorge, wie er die Erfahrungen verarbeiten wird. Wie wird es sein, wenn das Kind aus dem Mutterleib herauskommt? Sein Freund mochte nach der Geburt keinen Sex mehr mit seiner Frau, weil er die Bilder nicht vergessen konnte und sich schuldig fühlte, was er der Mutter seines Kindes angetan habe.
Auch die Gedanken über die Zukunft mit dem Baby beschäftigen ihn. Manchmal ist Daniel eifersüchtig, dass seine Freundin in der Schwangerschaft ein so enges Verhältnis zu ihrem gemeinsamen Sohn aufbauen kann. Wird das durch das Stillen noch intensiver werden? “Wir Männer müssen uns mühsam erarbeiten, was den Frauen von Natur geschenkt wird”, beklagt er. Auf Schwangerschaft und Geburt würde er dennoch lieber verzichten. “Solche Schmerzen würde kein Mann aushalten.”
Mein wildes Herz – Der könnte ihr Sohn sein
Wenn Männer sich in eine deutlich jüngere Frau verlieben, ist das heutzutage kaum noch ein Aufreger. Was aber, wenn eine ältere Frau einen wesentlich jüngeren Mann wählt? Die gesellschaftliche Toleranz für ungleiche Paare dieser Art scheint weitaus geringer, Familien- und Bekanntenkreis reagieren empört: "Der könnte doch dein Sohn sein!" Tatsache ist aber, dass heute bei jeder fünften Eheschließung der Mann schon jünger als die Frau ist. Viele gut ausgebildete Frauen suchen keinen Versorger mehr, machen selbst Karriere, und immer mehr unkonventionelle Lebensmodelle prägen unsere Gesellschaft.
Der "37 Grad"-Film begleitet zwei Paare, die nicht nur wegen ihres großen Altersunterschieds in die Schlagzeilen geraten sind. Was macht die Liebe besonders und vielleicht anders? Mit welchen Vorurteilen, Zweifeln, aber auch "berechtigten" Einwänden müssen sie sich in ihren Liebesbeziehungen auseinandersetzen? Wie gehen sie mit den Reaktionen ihrer Umwelt um?
Ihre Liebe war ein Skandal: Renata und Ervin Szabo. Als die beiden sich ineinander verlieben, ist er gerade 13 Jahre alt. Sie ist 41, lebt getrennt, ist Mutter von zwei Töchtern und seine Handball-Trainerin. Ervins Stiefvater zeigt Renata wegen Verführung eines Minderjährigen an. Doch das Gericht erkennt den Ernst der Liebe der beiden. Renata wird zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Drei Jahre später. Mittlerweile haben die beiden geheiratet und eine sieben Monate alte Tochter. Renata hat ihren Job verloren, jetzt trainiert sie die österreichische 2.-Bundesliga-Handball-Mannschaft der Frauen. Ervin ist 16 und besucht eine technische Schule, in fünf Jahren will er Hochbau-Ingenieur sein. Die beiden haben schwierige Jahre hinter sich. "Die Situation war für ihn schwieriger als für mich, weil er nichts tun konnte, um mich zu beschützen. Und er wurde immer wie ein Opfer gesehen, das hasste er", sagt Renata. Und Ervin ergänzt: "Ich hätte mir früher nie vorstellen können, dass meine Frau nur ein paar Tage älter ist als ich.
Jetzt ist es ganz normal, und den Altersunterschied spüre ich gar nicht mehr." Beide sind immer noch zornig, wenn sie an die gesellschaftliche Hetze denken, die sie jahrelang erleben mussten. "Schuldig habe ich mich gefühlt, weil ich das Gesetz gebrochen habe, schuldig habe ich mich nie gefühlt, weil ich Ervin liebe", sagt die Mutter von mittlerweile drei Kindern. Jetzt versuchen beide, ein normales Leben zu führen.
Auch Natascha Ochsenknecht liebt einen 20 Jahre jüngeren Mann. Nachdem die Ehe mit Schauspieler Uwe Ochsenknecht nach 20 Ehejahren zerbrochen war, haben beide deutlich jüngere Partner gefunden. Doch nur Natascha gerät damit in die Schlagzeilen. Umut ist 24, türkischer Fußballer, sie lernten sich zufällig im Internet kennen. Als sie von seinem Alter erfährt, frotzelt die 44-Jährige, er solle sich lieber eine Gleichaltrige suchen. Dennoch treffen sich die beiden. "Es war, als treffe ich eine alte Seele", erzählt Natascha von der ersten Begegnung.
"Das Alter spielt in der Türkei nicht die Rolle wie in Deutschland. Da spricht man gar nicht drüber", erklärt Umut. In der deutschen Boulevard-Presse dagegen sind ältere Promi-Frauen mit jungen Männern durchaus ein "Klatsch"-Thema. Auch Nataschas Söhne - Jimi Blue und Wilson Gonzalez - waren anfangs skeptisch gegenüber dem Mann, der kaum älter ist als sie. Vier Jahre ist das her, seitdem führen Natascha und Umut eine Wochenend-Beziehung.
Umut versucht nun, einen Job in Deutschland zu finden, die beiden können sich perspektivisch vorstellen, ein Kind zu bekommen und vielleicht auch eines Tages zu heiraten.
„Ich will einen Mann!“ – Mütter auf Partnersuche
Sie sind attraktiv, belastbar und managen ein kleines Familienunternehmen – alleinerziehende Mütter. Oft haben sie diese Situation selbst gewählt – weil es mit dem Vater der Kinder einfach nicht mehr funktioniert hat. 22 Prozent der Deutschen waren 2011 alleinerziehend, davon sind über 60 Prozent Mütter mit zwei Kindern. Reduziert auf die Mutterrolle, das muss kein Dauerzustand sein, doch die Partnersuche gestaltet sich oft schwierig. Partnervermittler, Eventanbieter, Reiseveranstalter und Online-Datingportale haben die Marktlücke der Single-Mütter längst entdeckt, aber findet Frau dabei wirklich den Traumprinzen? Sind ihre Ansprüche vielleicht zu hoch geschraubt? Haben die Männer Angst, als Ernährer und Ersatz-Papa benutzt zu werden? Wie sehen die Kinder die Partnersuche ihrer Mütter? 37° begleitet drei Singlemütter bei ihrer Suche nach „Mister Perfekt“. Sie haben schon einiges ausprobiert, geben aber die Hoffnung, den Richtigen zu finden, nicht auf.
Grundschullehrerin Melanie ist 36, sie hat zwei Kinder, 6 und 3, und eine Leidenschaft: Salsa. Beim Tanzen lebt die Düsseldorferin das aus, was sie in ihrem Beruf häufig verbergen muss: ihr Temperament. Melanie ist sich ihrer sexy Wirkung auf Männer durchaus bewusst, trotzdem ist sie seit zwei Jahren allein. Die Suche im Internet findet sie anfangs aufregend, mittlerweile ist der Reiz des Neuen verflogen. „Dann schicken einem die Männer einen Schmetterling. Was soll das? Da kann ich nichts mit anfangen.“ Seit einem Jahr gönnt sich die 36-Jährige den Luxus, regelmäßig Salsa tanzen zu gehen, die Eltern passen dann auf die Kinder auf. Doch Papa Georg zweifelt, ob die Salsa Szene wirklich das richtige Umfeld für seine Tochter ist: „Das ist Amüsement. Da lernt man keine Männer kennen, die eine Frau mit Kind wollen.“ Dass ihre lebhaften Kinder ein Hindernis bei der Partnersuche sind, bestreitet Melanie. „Ich bin ja zu 80% Frau. Natürlich sollte der Mann kinderlieb sein, aber er sollte vor allem mich lieben.“ Wird Melanie den Traummann finden?
Ilona aus Frankfurt hat es auf der Karriereleiter weit nach oben geschafft. Die Personalleiterin reist fast monatlich nach Kanada, um dort in der Zentrale Bericht zu erstatten. Seit vier Jahren kümmert sie sich zudem alleine um ihren schwerbehinderten Sohn und ihre fünfjährige Tochter. Der Alltag der attraktiven 42-Jährigen ist genau durchgeplant. Ein Termin jagt den nächsten – für die Suche nach einem neuen Mann an ihrer Seite bleibt da kaum Zeit. „Bislang war meine Arbeit immer eine ganz gute Kontaktbörse für mich. Aber das funktioniert gerade nicht mehr. Jetzt bin ich schon vier Jahre alleine, viel zu lange.“ Wie alles in ihrem Leben geht Ilona auch das Thema „Männersuche“ gezielt an. Sollte es auf einer After-Work-Party nicht funken, will sie es mit ein paar Blind Dates versuchen. Ein Kaffee mit Mann Nummer 1 in der Mittagspause, ein Aperitif mit Mann Nummer 2 nach Feierabend – hat die Liebe da eine Chance?
Marias Kinder sind 10 und 14 Jahre alt. Die 38 Jährige ist keine klassische Schönheit, hat ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen. „Ich liebe Torten, zumindest liebe ich es, Torten zu gestalten. Wenn ich mir einen Mann backen könnte, hätte ich das schon längst getan.“ Die Dortmunderin nimmt das Leben mit viel Humor. Nur beim Thema Online-Datingportale versteht sie keinen Spaß. „Man kommt sich vor wie beim Shopping. Es fehlt die Spontanität und durch die Vorauswahl, fallen viele Männer einfach unter den Tisch. Andersherum falle ich aber bestimmt auch bei vielen durchs Raster. Das ist nichts für mich.“ Die Hoffnung auf einen Zufall, der ihr den richtigen Mann in die Arme treibt, hat die zweifache Mutter aufgegeben. „Ich habe jetzt lange genug gewartet, dass der Traumprinz an meine Türe klopft.“ Maria hat sich auch zu einem Speed-Dating angemeldet. Schon Wochen vorher kreisen ihre Gedanken nur noch um eines: „was da wohl für Kröten rumspringen?“
Suche Traumfrau - Männer auf der Jagd nach Liebe
Sie sind attraktiv, erfolgreich, sympathisch - aber Singles. Eigentlich dürfte es in Zeiten der Internet-Kontaktmöglichkeiten kein Problem sein, die Richtige zu finden. Was läuft schief bei den Männern im besten Alter? Immerhin sind 7 Millionen User in Online-Portalen angemeldet, im Netz geht Liebe 24 Stunden am Tag. Soziologen meinen, dass die steigende Zahl von Dating-Möglichkeiten die Fähigkeit zur einzelnen Beziehung eher blockiert, als aktiviert. 37 ° begleitet verschiedene Männer, die bisher vergeblich nach ihrer Traumfrau fahnden. Sie sind im Internet aktiv, hatten unzählige Dates, einige Beziehungen und sind immer noch ungebunden. Ist es die Qual der Wahl im Netz oder sind sie zu anspruchsvoll? Weshalb ist die Suche nach der „Miss Perfekt“ so schwer geworden ist? Ist das Internet zwar ein Paarungsbeschleuniger, aber kein Partnerschaftsfestiger?
Martin lebt in Köln, ist 53 Jahre alt. Im Internet ist er in drei Dating-Portalen aktiv, dort gibt er an, dass er 46 ist und die Nase voll habe „von hirnlosen Beziehungen“. Martin hatte zahlreiche Affären, mit 30 hat der selbstständige Vertriebsmann aufgehört, sie zu zählen. Seither sucht er die Richtige, sympathisch und schlank soll sie sein, schließlich leistet auch er sich einen Personaltrainer. „Wenn ich die Hüllen fallen lasse, sehe ich noch charmant aus, und dafür arbeite ich hart.“ Martin mag keine Disziplinlosigkeit. Kontrollzwang, Mangel an Bildung oder Weibchen ohne Selbstwertgefühl sind für ihn ebenso tabu. Da wird der „Frauen-Markt“ schon enger, doch Martin träumt immer noch von der großen Liebe. Die Erklärung des nebenberuflich Sängers ist auch gleichzeitig sein Problem: „Die Menschen entscheiden sich nicht mehr richtig für etwas. Und für die Liebe muss man sich bedingungslos entscheiden.“
Markus ist 44, gutaussehend und gebildet. Er ist im Internat groß geworden, seine erste Million hat er mit Immobilien verdient, aber auch wieder viel Geld verloren. „Im Job kann ich auf mein Ziel hinarbeiten, in einer Partnerschaft geht das nicht, da muss man zurückstecken, massiv Rücksicht nehmen.“ Der 44 Jährige Geschäftsführer weiß, was Liebeskummer ist. Er wurde betrogen, und genauso oft verlassen, wie er selbst verlassen hat. „Weil alles schnelllebiger ist, trennt man sich leichter, ist nicht mehr kompromissbereit“, sagt er. Attraktivität, Intellekt, Sex, Humor, das muss für Markus stimmen, deshalb kommt es schnell zu einem persönlichen Kennenlernen nach einem Chat. Doch darüber geht es häufig nicht hinaus. Vor ein paar Monaten hat er sich richtig verliebt, doch seine Traumfrau war leider verheiratet und wollte nur eine Affäre. Nun sucht Markus weiter im Netz.
Ralf ist 49. Nach einer 10jährigen Beziehung war er lange traumatisiert, bevor er sich so richtig auf die Suche im Netz eingelassen hat, nun ist er Dating-Experte. Ralf hat einiges zu bieten, eine exklusive Ausbildung in Edinburgh, die Harvard Summerschool in den USA, ein erfolgreiches Ingenieur-Büro. Sein Lebensstil ist international, deshalb ist er für ein Date auch schon nach New York geflogen. Geld spielt für den Mann mit dem Cadillac keine Rolle, doch das Glück in der Liebe fehlt. Für Ralf ist die Optik, die sexuelle Spannung, aber auch der Beruf und die Intellektualität extrem wichtig. Er besucht regelmäßig einen philosophischen Stamm-Tisch, um mehr über das Leben zu erfahren. „Das Spannungsreiche beim Daten ist, dass ich mehr über mich erfahre!“ Deshalb schreibt es auch an einem Buch. Ralf ist manchmal einsam und hat Sehnsucht nach seiner Traumfrau – wird er sie finden?
Ich will ein Baby ohne Mann - Interview mit Prof. Dr. Heribert Kentenich
Chefarzt der DRK Frauenklinik Westend, Fertility Center Berlin, Leiter der Arbeitsgruppe „Offene Fragen der Reproduktionsmedizin“ bei der Bundesärztekammer, seit 1989 Mitglied der Ethikkommission der Ärztekammer Berlin
Die rechtlichen Bestimmungen durch das Embryonenschutzgesetz gelten zusammen mit den berufsrechtlichen und familienrechtlichen Bestimmungen als streng. Es gibt in Deutschland die Forderung nach einem umfassenden Fortpflanzungsmedizingesetz. Wie sehen Sie vor allem im Hinblick auf alleinstehende und lesbische Frauen?
Änderungen sind absolut notwendig. Gesetzliche Änderungen müssen sich auf medizinische, psychologische und ethische Fragen beziehen. Beim Medizinischen der Behandlung mit Fremdsamen ist es relativ einfach. Man kann eine Behandlung durchführen, die erfolgreich ist und die auch nicht gefährlich ist. Gefährlich wäre beispielsweise bei einer Insemination, wenn der Spendersamen mit HIV kontaminiert wäre. Aber das kann man checken und bei konservierten Samen kann man sogar sehr sicher sein.
Die zweite Ebene ist die Psychologische. Nehmen wir beispielsweise Paare in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Da ist die Frage, wie das Kindeswohl gewährleistet ist. Es wäre ethisch nicht akzeptabel, wenn wir wissen, den Kindern ginge es nicht gut. Es ist aber in der Literatur so, dass die Nachverfolgung der Kinder aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen zeigt, dass es den Kindern gut geht. Und zwar genauso gut, wie Kindern aus heterosexuellen Beziehungen. Weil ja kein Vater vorhanden ist, gehen die Mütter eher offen damit um, sie sagen es später dem Kind, dass medizinische Hilfe notwendig war.
Probleme gibt es bei heterologen Samenspenden, also bei Insemination mit einer Fremdsamenspende, immer eher dann, wenn den daraus entstandenen Kindern nicht gesagt wird, wie sie gezeugt wurden. Und wenn das dann womöglich in einer ungünstigen Lebenssituation bekannt wird, sind diese Kinder mit einer Lebenslüge konfrontiert, die schwer oder sogar kaum zu verkraften ist.
Studien zeigen, dass lesbischen Paare offener mit dem Thema Insemination umgehen, so dass man sagen kann, psychologisch und ethisch gibt es keine Bedenken, auch lesbischen Frauen die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung durch Insemination zu eröffnen. Meiner Ansicht nach wäre es das Beste, und das ist jetzt meine persönliche Ansicht, wenn diese Insemination nicht im Ausland, sondern in Deutschland durchgeführt würde. Das müsste dann so laufen: Der Spendersamen kommt von einer Samenbank, der Samenspender muss darüber informiert sein, dass die Befruchtung bei einem lesbischen Paar durchgeführt wird und muss einwilligen. Dann ist es medizinisch sicher, dann ist es juristisch sicherer, weil der Spender ja auch eingewilligt hat, und dann müsste weiter das Familienrecht geändert werden, damit die lesbische „Ehe“, nicht den problematischen Weg der Stiefkind- Adoption nehmen muss, sondern den Weg der präkonzeptionellen Anerkennung dieses Kindes.
Und wie sehen sie das bei alleinstehenden Frauen?
Bei alleinstehenden Frauen ist es nicht ganz so einfach, weil die Datenlage durch empirische Studien über die Mutter-Kind-Beziehung noch nicht so gut erfasst ist, wie bei lesbischen Paaren. Aber auch hier könnte man relativ gut eine Regelung finden.
Wenn sich eine alleinstehende Frau zur künstlichen Befruchtung durch Insemination entscheidet, dann ist der Beratungsbedarf höher, also sollte man diesen Frauen eine psychosoziale Beratung anbieten und mit ihnen gemeinsam durch die ganzen medizinischen, sozialen und juristischen Probleme gehen. Das wäre die beste Lösung.
Offener Spender versus anonymer Spender. Diskutiert wird, ob ein anonymer Spender nicht generell verboten wird. In Schweden oder Großbritannien wird Kindern, deren genetischer Vater ein Samenspender ist, das Recht eingeräumt, Informationen über ihn zu bekommen. Wie sehen sie das?
Das ist in Deutschland auch so. Ja, ich sehe es als sinnvoll an, nur mit nicht-anonymer-Spende umzugehen, also mit offener Spende, so dass der genetische Vater bekannt gemacht werden kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat erwähnt, dass die Kenntnis der genetischen Abstammung wesentlich ist. Was in Deutschland allerdings schlecht ist, ist, dass zwei Fragen nicht getrennt werden. Das heißt, die Tatsache, dass das Kind seinen Vater kennen lernen kann, sollte man davon trennen, dass der Samenspender zum Kind als Vater im Rechtssinne bestellt werden kann. Das sind zwei verschiedene Punkte und die kann man vor einander trennen.
Wir haben eine Arbeitsgruppe bei der Bundesärztekammer eingerichtet, denn wir haben zum jetzigen Zeitpunkt viele Baustellen. Die eine ist die strafrechtliche Problematik: Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 6.7.2010 dafür ausgesprochen, die Präimplantationsdiagnostik zu erlauben. Aber für die Eizellspende gibt es in Deutschland nach wie vor ein Verbot. Wenn ein deutscher Arzt einer Patientin die Eizellen einer anderen Frau einpflanzt, macht er sich strafbar.
Die zweite Ebene sind die sozialrechtlichen und familienrechtlichen Fragen. Es gibt keine absolute Klarheit, wie lange die Spenderdaten aufgehoben werden sollten und auch keine klare Regelung über die Befreiung einer Samenspenders von möglichen Unterhaltsforderungen.
Sehen sie Risiken durch die Insemination im Ausland?
Also der entscheidende Punkt ist: Die Frauen müssen gut beraten werden, die psychologische Beratung ist sehr wichtig – aber die betrifft auch Frauen bei sonstiger künstlicher Befruchtung. Wir fragen ja auch bei sonstiger künstlicher Befruchtung, ob diese Entscheidung für das Kind (und damit viele Belastungen auf sich zu nehmen) die Richtige ist. Die psychologische Beratung hat also einen ganz wesentlichen Stellenwert dabei und da frage ich mich nur, ob die Frauen im Ausland auch wirklich gut und umfassend beraten werden.
Was raten sie den Frauenärzten und Frauenärztinnen in Deutschland, wenn sie Patienten haben, die sich durch Insemination ihren Wunsch nach einem Kind erfüllen wollen.
Meinen Kollegen rate ich: Bevor ihr eine Entscheidung trefft und die Frauen hilflos ins Ausland schickt, schickt sie zuerst zu Beratern des BKiD (Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland), damit die Frauen gut informiert werden.
Bei der anonymen Spende im Ausland muss man zumindest sicher sein, dass der Frau medizinisch nichts passiert. Also, dass der Samen auf HIV getestet ist usw. Der Gynäkologe muss mit der entsprechenden alleinstehenden Frau prüfen, ob die Behandlung psychologisch einen Sinn ergibt. Bei jedem Paar, das wir in der Kinderwunschbehandlung betreuen, diskutieren wir ja auch, ob es psychologisch sinnvoll ist, dass dieses Paar den Kinderwunsch mit aller Macht verfolgt.
Der dritte Punkt ist leider, dass die deutschen Frauenärzte und Frauenärztinnen aber auch klar darüber informiert werden müssen, dass sie – im schlimmsten Fall – wenn die Daten des Samenspenders nicht bekannt sind, zur Zahlung des Unterhaltes für das Kind heran gezogen werden können, wenn sie selbst behandeln. Das müssen die Ärzte wissen.
Ist das schon passiert?
Ja, es hat einen Fall in Essen gegeben, der justiziabel geworden ist. Der Arzt ist allerdings nicht verurteilt worden.
Werden die Ärzte also hilflos dem Fortpflanzungstourismus ins Ausland zusehen müssen, wenn es keine neuen Regelungen gibt? Wie ist ihr Ausblick?
Na, der ist ja jetzt schon schlimm genug. Das Problem, das deutsche Frauen zur Insemination ins Ausland reisen, ist dabei noch quantitativ gesehen ein kleines Problem. Viel größer ist das Problem beim Verbot der Eizellspende. Eine Behandlung mit fremden Samen können Sie in Deutschland durchführen, auch juristisch durchführen.. Sie gehen nur bestimmte Risiken ein. Bei der Eizellspende dagegen machen sich die behandelnden Ärzte strafbar – wie vorhin schon angespochen.
Ihr Wunsch an die Zukunft?
Eine gründliche Debatte in Deutschland, die die strafrechtlichen Fragen, also Eizellspende, Präimplantationsdiagnostik, Embryonenauswahl und, wie im Fall der heterologen Insemination, die familienrechtlichen Fragen umfasst. Es besteht in Deutschland ja noch das Vorurteil, dass die Behandlung in lesbischer Partnerschaft mit Fremdsamen irgendwie „was Schmuddeliges“ ist. Dieses Vorurteil stimmt nicht, denn die Kinder haben eine gute Entwicklung, wachsen gut auf und die Eltern-Kind-Beziehung ist eine ganz Normale, das wissen wir.
Das Wichtigste in westlichen Demokratien ist, dass die Patientin autonom entscheiden kann. Es gibt so etwas wie eine autonome Entscheidung zur Fortpflanzung und da muss sich der Staat überlegen, ob er dieses Recht einschränkt. Grundsätzlich ist es lesbischen Paaren und einer alleinstehenden Frau nicht zu verwehren, wenn sie ein Kind haben will. Und insofern ist eine liberalere Herangehensweise auch in dieser Frage sinnvoll.
Immer mehr Frauen entscheiden sich erst recht spät für ein Kind. Wo sehen sie die Probleme?
Das ist ein ernstes gesellschaftliches Thema. Das durchschnittliche Alter der Frau beim ersten Kind liegt bei 30 Jahren und bei der Sterilitätsbehandlung ist das Alter mittlerweile bei 35/36 Jahren. Dadurch sind relativ viele Frauen über 40 Jahre und die sind wirklich sehr, sehr schwer zu behandeln, in dem Sinne, dass sie auch ein Kind bekommen können. Also man kann sie behandeln, aber die Chance zur Geburt des Kindes ist nicht hoch. Und da kann die Antwort nur gesellschaftlich sein: Die Bedingungen müssen so sein, dass eine Frau auch ihr Kind bekommen kann, wenn sie jung ist und studiert und auch, dass die Frauen durchaus während der Ausbildungszeit schwanger werden können. Sie müssen eine hohe Rechtsicherheit haben, dass sie hinterher weiterbeschäftigt werden können, wenn die Babypause vorbei ist. Das sind soziale Fragen, die noch besser geregelt werden müssen: Frauen müssen gute Bedingungen haben in der Bundesrepublik, um im jungen Alter ihr Kind zu bekommen.
Wer bleibt Millionär"– Der Traum vom großen Geld
Ein Sechser im Lotto, einmal in einer der zahlreichen TV-Shows richtig absahnen, mit dem Gedanken spielt wohl jeder. Aber was passiert, wenn der Traum Wirklichkeit wird?
Der 37° Film „Wer bleibt Millionär? zeigt vier Millionengewinner, die durch einen Gewinn plötzlich reich geworden sind. Wie hat der Geldsegen ihr Leben verändert? Warum verwandeln sich Beziehungen, wie reagieren echte und falsche Freunde? Bringt der unverhoffte Geldsegen wirklich das große Glück oder vielleicht auch Sorgen und Ängste mit sich?
Nino Haase liebt die Herausforderung. Der Student bewarb er sich 2009 aus Jux bei „Schlag den Raab“. Unter 200 Bewerbern wurde der 28-Jährige als Gegner für Stefan Raab ausgewählt und schaffte das, was bisher in 24 Sendungen nur neun anderen Kandidaten gelungen ist. Er schlug Stefan Raab und gewann drei Millionen Euro – der bisher höchste Gewinn in der fünfjährigen Showgeschichte.
Doch kaum war das Geld auf dem Konto eingetroffen, war es vorbei mit seiner Risikobereitschaft. „Früher, als mein Konto mit 200 Euro in den Miesen war, da war mir die Finanzkrise egal. Heute habe ich wegen des Geldes schlaflose Nächte“. Nino Haase ist bescheiden geblieben, warum scheut er davor zurück, sein Leben als dreifacher Millionär zu genießen?
Ganz anders Vesna Vekic. Die 48-Jährige wurde über Nacht 2005 in einer SKL-Show zur fünffachen Millionärin. Seitdem genießt sie zusammen mit ihrem Ehemann Michael das Luxus-Leben in vollen Zügen. Das Paar hat sich eine pompöse Villa in einem Vorort von München errichtet, eine Haushälterin, ein Klavierlehrer und ein Golflehrer zählen zu ihren Bediensteten. Doch Vesna Vekic weiß auch aus Erfahrung, wie gefährdend und zerbrechlich plötzlicher Reichtum machen kann. Deshalb gründete sie den „Club der Millionäre“ und steht heute anderen frisch gebackenen SKL-Millionären mit Rat und Tat zur Seite, z..B. Astrid de Buyser. Auch die 70-Jährige ist über Nacht in einer SKL-Show zur Millionärin geworden. In 90 Minuten entscheidet der Zufall, wer das Studio als Millionär verlassen wird, doch wie ändert sich dadurch das Leben von Astrid und ihrer Familie?
Vor 17 Jahren knackte Familie Bubert den Jackpot im Spiel 77: 8 Millionen DM gingen auf ihr Konto ein. Ein unglaublicher Reichtum, denn die Familie schlug sich zuvor mehr schlecht als recht durchs Leben. Achims Baufirma drohte die Insolvenz. Dann die scheinbare Rettung. Doch schon eine Woche nach dem Gewinn ist gut die Hälfte des Geldes futsch, investiert in Immobilien, Boote, Autos, ein riesiges Grundstück samt Spielparadies für die zwei Söhne und in Geldgeschenke an die nahen Verwandten.
Familie Bubert teilt ihren Reichtum. Trotzdem machen ihnen Neider das Leben zur Hölle. Fast zerbricht die Ehe an den ewigen Streitereien ums Geld. Achim und Petra schreiben ein Buch über ihre Erlebnisse und finden so wieder zueinander. Aber wie steht es mittlerweile finanziell um die Familie?
Riesengroß und klitzeklein
Wächst du noch?
Rolf Mayr kann man nicht übersehen. Der 2,22 m große Mann fällt immer auf, ob er will oder nicht. „Meine Größe ist immer Gesprächsstoff. Da wird leider auch übersehen, dass ich auch sensibel, auch schwach sein kann.“ Schwach wird der studierte Theologe immer dann, wenn es um seine Kinder geht. Seit der Scheidung von seiner Frau, erzieht er die beiden 15- und 9-Jährigen Jungen alleine. Vor fünf Jahren, als 37° die Familie schon mal begleitete, musste er die Entscheidung treffen, ob seine Kinder eine Wachstumsstofftherapie machen. Für beide galt die Prognose, dass sie 2,08 m werden. Rolf Mayr entschied sich gegen die Hormone. „Ich werde meine Kinder so selbstbewusst erziehen, dass sie mit ihrer Größe zu Recht kommen werden.“ Heute gibt es neue Prognosen. Der ältere der Jungen wird seinen Vater längenmäßig vielleicht einholen. Wie wird der Teenager damit fertig? Gerade wurde er in die Nationalmannschaft im Basketball aufgenommen. Das macht ihn selbstbewusst. Doch seine Länge bringt Segen und Neid. „In der Mannschaft sagen manche, wenn sie so groß wären, würden sie auch jeden Korb legen“. Sein Vater tröstet ihn, baut ihn auf. Er hat das alles selbst hinter sich. Was fehlt, ist eine Frau im Haus. Mit der großen Liebe will es bei dem alleinerziehenden Versicherungskaufmann nicht so richtig klappen. „Vielleicht liegt es an meiner Größe, dass die Frauen immer mehr erwarten, als ich wirklich bin. Dabei brauche auch mal eine starke Schulter.“
Nicht alleine seine, das möchte Andrea aus Hamburg auch nie wieder. Die 2,06 m große Frau ist Mutter von drei Kindern. In der Liebe hat sich nicht viel Glück gehabt. Ihr letzter Freund, der Vater der beiden älteren Kinder, hat sich betrogen und tief verletzt. Mit dem neuen Mann an ihrer Seite hat sie seit eineinhalb Jahren Sohn Simon. Der Photograph Heiko aus Hamburg hat sich in die 1,30 langen Beine der gelernten Schneiderin verliebt. Er will sie vermarkten, als Modell. Vielleicht sogar als Modemacherin für lange Frauen. Andrea war am Anfang glücklich darüber. Endlich ein Mann, der ihr Selbstvertrauen und Zuversicht gibt. Denn das braucht die 39 Jährige. „Als Jugendliche bin ich von gemeinen Sprüchen tief verletzt worden. Ich wollte mich von der ganzen Menschheit verstecken.“ Doch in der Beziehung kriselt es immer häufiger. Auch wenn Andrea ihre Größe heute gerne positiv vermarkten würden, die Belastungen ist für die psychisch angeschlagene Frau an manchen Tagen zu viel. „Ich löse bei Männern keinen Beschützer-Instinkt aus, das ist mein Problem.“
Forian ist sich sicher, er ist stark genug, um Frauen eine Schulter zum anlehnen geben zu können. Sein Problem ist aber, dass ihm das Keine glaubt. Der ausgebildete Erzieher ist nur 1,51 groß und damit 27 Zentimeter kleiner als der deutsche Durchschnittsmann. Das bringt viele Probleme mit sich, die für Normalgroße schwer nachvollziehbar sind. Im Job gehen die Schwierigkeiten los. Florian wird immer unterschätzt, Vorschläge von ihm werden nicht ernst genommen, nach dem Motto: „was will denn der Kleine“. Karriere machen Andere, Normalgroße. Auch privat ist es nicht leicht für ihn. Frauen stehen auf große Männer, am besten soll der Partner mindestens zehn Zentimeter größer sein. Unerreichbar für Florian. Frustriert ist er deshalb nicht. Florian ist ein Kämpfer-Naturell, er ist Leistungssportler, neuerdings auch noch Trainer für Kunstturnen und Sportmanager. Im Leben will er noch hoch hinaus.
In der 37 Grad Sendung stehen Menschen im Mittelpunkt, die größenmäßig aus der Norm geraten sind. Es geht um Alltagsprobleme, aber auch um Vorurteile. Müssen Menschen, die nicht dem Normalmaß entsprechen, Strategien entwickeln, um für die Widrigkeiten des Alltags und die Kommentare anderer gerüstet zu sein? Und wie ist es mit der Partnersuche? Laut eine Singlestudie, suchen 51 Prozent der Männer eine Partnerin zwischen 1,60m und 1,70, weil Männer empfindlich auf Frauen reagieren, die ihnen auf Augenhöhe begegnen. Auch Riesen haben keine Chance. Nur 7 Prozent der befragten Frauen finden einen Mann über 1,90m attraktiv.
Mein Schatz, der Heiratsschwindler
Von Betrogenen und ihren Betrügern
Maria hatte kurz nach dem Tod ihres Mannes eigentlich kein Interesse an einer neuen Beziehung. Aber die Partnerschaftsanzeige in der FAZ, die ihr eher zufällig ins Auge fiel, machte sie doch neugierig. Da suchte ein älterer Gentleman eine Frau für eine seriöse Beziehung.
"So charmant", erinnert sich Maria heute, "dass man einfach antworten musste". Maria wusste damals allerdings nicht, dass der Mann, der die Anzeige geschaltet hatte, zu dieser Zeit noch im Gefängnis saß. Das erste Treffen mit der ahnungslosen Unternehmerin findet statt, als Dietrich (Name von der Redaktion geändert) Freigang hat. Er erschien zum ersten Termin elegant gekleidet in Kaschmir und teuren Schuhen. Er führte Maria in das beste Restaurant ihrer Heimatstadt aus, erzählte von seinen beruflichen Erfolgen als Ingenieur und seinem Leben im Ruhestand. Das wollte er jetzt an der Seite einer Frau verbringen, die bereit wäre, das Leben mit ihm noch einmal richtig zu genießen.
Was Maria nicht für möglich gehalten hatte, passierte doch: Sie verliebte sich in den Mann mit der charmanten Art und den guten Manieren. Sie wurde verwöhnt, fürsorglich umsorgt und "eingeladen". Dietrich bezahlte oft für sie, allerdings immer in bar.
Anfangs war es nur ein Verdacht, der schließlich zur Gewissheit wurde. Der großzügige Dietrich zahlte mit dem Geld, das er aus Marias Wohnung gestohlen hatte. "Ich habe ihm vertraut und ihn geliebt. Er war ein so toller Liebhaber, ein so einfühlsamer Mann. Ich habe oft zu ihm gesagt, wir können Gott danken, dass wir uns gefunden haben, das ist ein Geschenk", sagt Maria heute mit Trauer in der Stimme. Vier mal war die Untennehmerin, die nicht gern über ihr Alter spricht, verheiratet. Alkoholiker, Spieler, Frauenhelden prägten das Leben der einsamen Frau. Nur ihr vierter Mann war die große Liebe, doch er starb zu früh, nach nur 5 Jahren Ehe. Daher kam es ihr wie ein Wunder vor, dass sie wieder einen Partner gefunden hatte. Ein Jahr hielt die Partnerschaft mit dem Mann, der bereits wegen Untreue in elf Fällen eine Haftstrafe verbüßen musste. Doch als die Diebstähle zunahmen, legte Maria Fährten aus, um Dietrich zu überführen. „Ich ahnte es, wusste es lange, aber ich wollte es nicht wahr haben und verdrängte, dass der Mann, mit dem ich Bett und Tisch teilte, mich bestiehlt.“ Schließlich ist der Leidensdruck zu groß. Maria muss der Sache ein Ende macht. Als sie, unterstützt von Freunden, die Polizei alarmierte und Dietrich verhaftet wurde, "war meine Seele im Eimer", wie sie sagt. Vor Gericht nahm sie den Betrüger deshalb wieder in Schutz. "Bringen sie mal den Mann, den sie lieben, hinter Gitter", erklärt Maria, die besonders der Liebe, die sie verloren hat, nachtrauert.
Frank Ficker ist 53 und gehört nicht nur wegen seines Namens zu den berühmtesten Heiratsschwindlern Deutschlands. 16 Frauen soll er seit 2002 betrogen, belogen und um einen guten Teil ihres Vermögens gebracht haben. Dafür muss er in diesem Jahr für eineinhalb Jahre ins Gefängnis und kann nicht mehr mit der Gnade der Richter rechnen. Denn die hat er sich in den letzten Monaten verspielt.
Dabei sieht sich der 53jährige, der in seinem Leben nicht nur viele Liebesbeziehungen hinter sich gebracht hat, sondern wegen seiner Leberzirrhose und seelischen Verfassung auch schon mehrere Aufenthalte in Krankenhäusern, Kliniken und auch psychiatrischen Anstalten, heute nicht als Betrüger. „Ich bin kein Heiratsschwindler. Ich habe es immer ehrlich gemeint. Was die Frauen dachten, das steht in den Sternen.“
Die meisten hätten halt geglaubt, dass er „eine lohnende Partie sei“ und auf sein Geld spekuliert.
Tatsache ist, dass zumindest auch Frank Fickers dritte Frau, Heidrun Wolf, bei der Eheschließung mit ihm von einer Heirat mit einem wohlhabenden Mann ausgegangen ist. „Hätte ich gewusst, dass er nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und darüber hinaus kein Einkommen hat, hätte ich mir das überlegt. Soviel, dass ich ihn mit durchfüttern kann, verdiene ich auch nicht, sagt die 56jährige Rettungssanitäterin heute.
Bislang hatten die Frauen, die sich von Frank betrogen fühlten, zu wenig Beweise in der Hand oder waren zu beschämt, damit zur Polizei zu gehen. Bei Heidrun, die er nach ihren Angaben um 35.000 Euro betrogen hat, kommt er nach einer Ehe von weniger als einem Jahr nicht ungeschoren davon.
Allerdings ist auch sie zunächst angetan, von dem Mann mit den guten Umgangsformen. „Ich habe dummerweise auf eine Annonce geantwortet“, sagt Heidrun Wolf heute über den Anfang ihrer Liebesbeziehung zu Frank Ficker, von der sie damals, im März 2003, nicht ahnte, dass sie vor Gericht enden würde.
Sie ist zu diesem Zeitpunkt Single, und lebt mit ihrem Sohn in einer kleinen, hübschen Wohnung in der ländlichen Umgebung von Zwönitz. Heidrun war schon mal verheiratet, doch die Ehe zerbrach kurz nach der Wende. Seither konzentriert sie sich auf ihre Arbeit als Rettungsassistentin, ein Job, der ihr wegen der Schichtarbeit wenig Zeit für Privates lässt.
Heidrun hat noch nie ihrem Leben auf eine Annonce reagiert, doch die Anzeige von Frank Ficker zieht sie irgendwie an. „Sekt oder Selters“ steht in der ersten Zeile, das passt zu dem Schwur, den Heidrun sich selbst in der Silvesternacht gegeben hat: sie will wieder mehr erleben, mehr unter Leuten sein, mal wieder tanzen und einfach öfter wieder ausgehen.
Frank sagt von sich selbst: „Ich bin kein schöner Mann, vielleicht komme ich eher durch meine Art gut an.“. Heidrun Wolf bestätigt das. Er sei „höflich, zuvorkommen, liebevoll, es gab Frühstück ans Bett, es gab Blumen“ und Frank habe ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Man habe das Gefühl gehabt, mit ihm würde es nie langweilig werden.
Heute hat Heidrun keine Komplimente mehr für ihren Ex-Mann. Nachdem Heidrun herausgefunden hatte, auf welche Weise und in welcher Höhe er sich ihres Geldes bemächtigt hatte, nimmt sie Kontakt zu allen Frauen auf, von denen sie weiß oder ahnt, dass sie in einer Beziehung zu ihm standen. Frank hält diese Aktion für einen „Rachefeldzug“ und Heidrun bestätigt, dass sie versucht, die Frauen zusammen zu trommeln, um andere auch zu warnen und gemeinsam gegen Frank Ficker mobil zu machen.
Maria und Heidrun ist nur zwei von vielen Frauen, die einem Mann auf dem Leim
gehen, der Liebe vortäuscht, aber eigentlich nur das Eine will: Geld! Dafür spielen so genannte Heiratsschwindler den romantischen Herzensbrecher oder einfühlsamen Liebhaber und geben sogar ein Heiratsversprechen. Ihre Beute sind häufig "einsame" Frauen, die auf ihre wirkungsvollen Methoden hereinfallen und dabei nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Bankkonto ruinieren. Wie viele Opfer es genau gibt, können weder Polizei noch Staatsanwaltschaft sagen. Denn Heiratsschwindel ist seit Mitte der 70er Jahre keine Straftat mehr und gerade deshalb ein Tabu-Thema. Die Betroffenen müssen dem Schwindler den materiellen Betrug nachweisen, das ist bei aller emotionalen Verletzung oft schwer genug. Zu groß ist die Scham über das Geschehene, deshalb scheuen die Opfer den Weg zur Polizei oder einem Anwalt.
Was sind das für Männer, die es schaffen, arglose Frauen für sich zu gewinnen. Haben sie eine Masche, eine Eigenart oder einen unwiderstehlichen Trick? Welche Opfer suchen sich diese Männer aus?
Gibt es womöglich einen bestimmten Frauen-Typ, der sich ganz besonders für den Schwindel mit den Gefühlen eignet?
Für immer ungeküsst? Mehr als nur Single
Erfahrungsbericht der Autoren
Wir haben vor einem halben Jahr angefangen, das Thema "Die Ungeküssten" zu recherchieren. Eine solche Recherche läuft vor allem über das Internet. Wie bei vielen problematischen Themen haben sich die Männer und Frauen, die noch nie eine Beziehung gelebt haben, in Foren gefunden, wo sie sich austauschen, beraten und unterstützen. Der Kontakt über die Foren ist eine sensible Sache, schließlich wollen die Beteiligten unter sich bleiben. Viele waren verärgert, dass wir auf diese Weise Kontakt aufnahmen. Erst als wir unser Anliegen für den Film vortrugen, öffneten sich einige zögerlich. Wir durften viele Gespräche führen und vielen sahen als notwendig, das Thema Beziehungslosigkeit in die Öffentlichkeit zu bringen. Denn es geht weit über das Thema Single-Dasein hinaus. Vor die Kamera wollte in den ersten Monaten unserer Gespräche aber kaum jemand. Zu groß war die Angst vor Spott, falschem Mitleid oder Unverständnis von Seiten der Außenwelt. Noch nie einen Partner gehabt zu haben, wird von allen als ein gesellschaftlicher Makel angesehen. "Die denken doch dann, wir sind nicht normal, mit uns stimmt was nicht oder wir haben einen Knall", sagten einige der Absoluten Beginner.
Uns war aber wichtig, Menschen im Film vorzustellen, denen man nicht ansieht, dass sie Probleme mit Partnerschaften haben könnten. Wo man vordergründig vermuten könnte, dass deren Welt in Ordnung ist - "normal" aus der Sicht der Absoluten Beginner, die sich selbst nicht als "normal" bezeichnen.
Wir konnten das Vertrauen von Maria und Klaus gewinnen. Beide sind optisch attraktive Menschen. Beide sind eloquent und intelligent, bringen gute Ausbildungen mit in ihr berufliches Leben und sind integriert in einen Freundeskreis. Nur mit der Liebe hat es nie geklappt.
Wir haben beide als komplexe Persönlichkeiten kennen gelernt, die viel über sich selbst nachdenken, ihre Verhaltensweisen permanent überprüfen, kontrollieren wollen und beurteilen. Beide haben lange gebraucht, um für sich heraus zu finden, dass sie durch ihre Kontrollzwänge sich und einer Partnerschaft selbst im Wege stehen. Erst mit Ende Zwanzig gab es in beiden Leben eine Umbruchsituation: sie outeten sich in ihren Freundeskreisen als Beziehungsunerfahren, als Jungfrauen in sexueller Hinsicht.
Aber mehr Gemeinsamkeiten lassen sich auch nicht finden, zwischen den beiden. Absolute Beginner lassen sich keineswegs über einen Kamm scheren. Zwar gibt es bei einigen Übereinstimmungen, wie auch der bekannte Autor Arne Hoffmann in seinem wirklich lesenswerten Buch "Unberührt" schreibt, aber nicht in allen Bereichen. Er sieht als Stereotype ein konservatives Elternhaus, fehlendes Selbstbewusstsein, Unattraktivität, kein Gefühl für den eigenen Körper, Mobbing schon von Kindesbeinen an oder Einzelgängertum. Auf Maria und Klaus trifft das Größtenteils nicht zu.
Was Maria auszeichnet, ist eine intensive Vaterbindung. Als der stirbt, ist sie sechs Jahre alt. Eine männliche Bezugsperson fehlt ihr seither. Hinzu kommt starkes Übergewicht, an dem sie bis vor vielen Jahren leidet - bis sie sich zu einer Diät entschließt. Maria verliebt sich oft, bleibt aber für die Männer immer nur der Kumpel zum Pferde stehlen. Ihr Verhältnis zum eigenen Körper, zur Sexualität, aber zum Flirten ist so gut wie gar nicht vorhanden. Maria sagt im Film "ich musste lernen, dass Begehren nichts Schlechtes ist und mir eigene Triebhaftigkeit zugestehen". Ihre konservative Mutter war ihr in dieser Hinsicht keine Hilfe.
Ganz anders die Entwicklung von Klaus: er wächst überbehütet auf, geliebt von seinen Eltern, die der Beziehungslosigkeit des Sohnes allenfalls mit kleinen Gebeten begegnen. Klaus war niemals verklemmt, seine fehlende Sexualität mit einer Partnerin lebt er in Pornoheften, Filmen und Selbstbefriedigung aus. "Normal" findet er sich selbst aber nicht. Er versucht mit Frauen in Kontakt zu kommen, aber blockiert im entscheidenden Moment. "Ich verkrampfe mich, ich werde unsicher, ich weiß nicht, wie ich den ersten Schritt machen soll". Klaus sendet unbewusst Signale, die die Frau als Ablehnung oder Desinteresse registriert. Heute ist er, wie er selbst sagt, keine stabile Persönlichkeit, was seine Psyche anbelangt. Klaus hat sich in professionelle Hände begeben und eine Verhaltens-Therapie abgeschlossen. Seit her ist er auf Medikamente eingestellt, die ihm helfen, seine Neurosen und Depressionen in den Griff zu bekommen. Den entscheidenden Erfolg hat aber die Therapie schon gebracht: Klaus ist mit 33 Jahre von Zuhause ausgezogen.
Torsten, 29 Jahre alt und Facharbeiter in einer Aluminiumgießerei, ist unser dritter Protagonist. Ein großer Kontrast zu Maria und Klaus. Er würde eine Therapie für sich immer ablehnen. Das passt nicht zu seinem Bild von sich selbst. In Torstens Bekanntenkreis, in seiner Familie, in seinem Fußballclub und auf seiner Arbeit wird das Thema Beziehungslosigkeit nicht besprochen. Torsten wirkt mit seinem kahl geschorenen Kopf und seinem trainierten Körper auch optisch als Gegenpart zu dem feingliedrigen, intellektuellen Klaus. Torsten hat sich sehr lange Bedenkzeit gegeben, bevor er sich entschloss, wirklich im Film mit zu machen. Nie zuvor hat er in dieser Offenheit über seine Verletzung und seine Unerfahrenheit gesprochen. Der Mann, der wirkt wie ein Baum, den nichts erschüttern kann, erzählt stockend, manchmal ein wenig zusammenhanglos und abwägend von seiner Angst vor Zärtlichkeit, vor Berührung, vor Küssen. Wir haben lange Gespräche mit ihm geführt, um die Ursachen dafür zu finden. Er selbst hat "gegraben und gebuddelt" - ohne Ergebnis. Auffallend wie oft Torsten betont, dass er "verarscht" wurde, dass er wieder "zurück gewiesen" wurde. Oft sucht er noch die Schuld bei anderen, doch je länger das Gespräch mit ihm dauert, desto mehr lässt er durchblicken, dass er lange in Kreisen unterwegs war, in denen Partnerschaften nicht die Bedeutung hatten. Seine Alkoholexzesse, sein Hang dazu, Konflikte handgreiflich zu lösen, so sagt Torsten heute von sich, haben manche Frau verschreckt. Er wollte stärker wirken, als er wirklich war. Wir haben Torsten nicht frustriert erlebt. Seit einem Jahr hat er einen neuen Job und eine Stelle als Trainer einer Jugendmannschaft. Seine Wohnung ist noch karg, aber er ist dabei, sich ein gemütliches Zuhause aufzubauen. Bei Torsten ist Bewegung in die Selbsterkenntnis gekommen. Wir glauben, dass er trotz seiner Grobheit und Derbheit, die er wie ein Schutzschild vor sicht her trägt, auf einem guten Weg ist, wenn sich sein soziales Umfeld weiter stabilisiert und lernt, dass nur Vertrauen Vertrauen erzeugt.
Unser Film hat mit den beiden anderen Protagonisten, Heggi und Norbert, eine Richtung bekommen, die wir zuvor gar nicht so geplant hatten.
Denn die beiden haben Beziehungserfahrung, sind aber aufgrund ihrer Persönlichkeiten auch in Schwierigkeiten geraten, verletzt worden und Suchende. Darüber hinaus, sind sie aber vor allem Menschen, die mit einer guten Portion Humor das Leben betrachten.
Unser Film, das war unser Anliegen, soll viele Seiten des Alleinlebens zeigen, den Unterschied zwischen Single-Dasein und Beziehungsunerfahrenen aufzeigen, und gleichsam doch auch Möglichkeiten geben, dass der Zuschauer und wir uns selbst in den Geschichten unserer Protagonisten wieder finden können.
Heggi und Norbert sind beides Menschen, die schon viel Lebenserfahrung gesammelt haben und anders als die anderen Drei, fertiger und zufriedener sind. Heggi hat mit ihrem Witz, ihrer Weisheit und Sicherheit den Film aus unserer Sicht reicher gemacht. Sie ist mit 65 Jahren eine Frau, die keineswegs mit ihrem Liebesleben abgeschlossen hat, aber die sich selbst klare Maßstäbe gesetzt hat und nicht mehr gewillt ist, sich von unberechenbaren Gefühlen aus dem Lot bringen zu lassen. Nach drei Ehen bringt sie viele Erfahrungen - im Übrigen nicht nur aus der Beziehungswelt - in den Film ein. Erfahrungen, die die Absoluten Beginner zwar kontrastieren, aber doch auch ergänzen.
Norbert, der promovierte Chemiker, ist wiederum ein starker Gegensatz zu Heggi. Norbert ist ein beruflich erfolgreicher Mann, aber er steht sich aus unserer Sicht ein bisschen im Wege mit seinen Erwartungshaltungen, die er an Frauen und viel mehr aber noch an die Männerwelt und sich selbst stellt.
Bislang hat er nur drei relativ kurze Beziehungen geführt, zwei davon mit Frauen aus dem Ausland. Norbert, der von sich selbst sagt, er sei einfach zu rational, sucht eine Frau, die ihn mit ihrer Emotionalität überwältigt. Dabei ist uns aufgefallen, dass er das eigentlich gar nicht zulassen würde. Seine Suche nach einer Frau im Ausland, erinnert ein wenig an Auswanderer, die ihr Glück in der Ferne suchen. So projiziert Norbert sein Verlangen nach einer starken, mitreißenden und gefühlvollen Frau auf die osteuropäischen Frauen und das Bild von der "russischen Seele". Im gleichen Augenblick bekennt Norbert aber, dass er von einer Frau aus Russland und der Ukraine enttäuscht wurde, weil die nicht "ihn" suchten, sondern die materielle Sicherheit und Ordnung, die ein deutscher Mann aus deren Sicht bietet. Wir haben aber bei den Dreharbeiten in Zagreb auch selber erleben dürfen, wie sehr Norbert in einer anderen Welt und anderen Umgebung auflebt. Trotz seiner Verkopfung, die so typisch für ihn ist, gewährte er uns Einblicke in seine Träume und Phantasien. Dabei wurde deutlich, dass Norbert ein Problem hat, was ihn durchaus in die Nähe der Absoluten Beginner bringt: die Vorstellung von einer idealen Partnerschaft, auch in erotischer Hinsicht, malt er sich so positiv und perfekt aus, dass eine realen Partnerin daran kaum reichen kann.
Wir haben uns gewünscht, dass der Film mit seinen fünf Charakteren ein buntes Bild von der Vielzahl menschlicher Beziehungsschwierigkeiten liefert. Wir sind uns dessen bewusst, dass jeder einzelne Protagonist einen eigenen Film wert gewesen wäre. Auf der anderen Seite ergänzen sich unsere Protagonisten auf überraschende Weise in ihren Einstellungen, Vorlieben und Ablehnungen. Die Offenheit, mit der alle über ihre Vergangenheit, Verletzungen und Zukunftswünsche gesprochen haben, hat uns beeindruckt.
Köln, im Oktober 2007
Iris Bettray und Juliane Metten
Nix wie weg
Sonne, Strand und Meer – immer mehr Deutsche träumen von einem Neuanfang im Süden. Ohne lästige Bürokratie, ohne nerviges Regenwetter. Dafür aber mit verlockenden Zukunftsperspektiven und vor allem mit viel mehr Lebensqualität. Doch die Hoffnung, in einem neuen Leben im Ausland sei alles besser und schöner, kann sich auch als Illusion entpuppen. Denn wer unvorbereitet und blauäugig auswandert, den erwarten in der neuen Heimat nicht nur Sprachprobleme. Die ZDF 37°-Reportage „Nichts wie weg? – Von Auswanderern und Rückkehrern“ begleitet zwei Familien, die ihr Glück im Ausland gesucht haben. Während es die eine nach vielen Startschwierigkeiten geschafft hat, kehrt die andere wieder nach Deutschland zurück.
Familie Knells ist vor sieben Jahren an die Costa Blanca in Spanien ausgewandert. Als Eva und Uwe Knells im Oktober 1995 an einem Schnupperwochenende für Auswander-Willige teilnehmen, das von einer spanischen Immobilienfirma angeboten wurde, kommen sie auf den Geschmack. Nach zwei Urlauben unter der Sonne des Südens steht ihr Entschluss fest, Deutschland für immer den Rücken zu kehren und ihre sichere Existenz, eine Tierheilpraxis und eine Computergeschäft, gegen den spanischen Neuanfang einzutauschen.
Die heute 51 jährige Familienmutter paukt spanisch und organisiert sorgfältig den Abschied aus der alten Welt. Zwei Jahre lang recherchiert Eva bei den Beratungsstellen für Auswanderer und legt zwei dicke Ordner voller Informationen an.
Heute weiß Eva: “Theoretisch waren wir gut vorbereitet, aber die Realität in einem fremden Land ist ganz anders. Ich weiß nicht wie oft ich am Anfang gedacht habe, dass ich nur alles hin schmeißen möchte und wieder zurück in das geregelte deutsche Leben.“
Im Sommer 1999 ist es dann soweit. Die Knells sagen Deutschland Adiós. Ein kleine schöne Wohnung, der Strand in der Nähe, die lachende Sonne – ein Traum ist wahr geworden. Doch Schwierigkeiten lassen nicht lange auf sich warten. Knells wollen eine Baufirma aufmachen, was eigentlich ganz einfach sein soll. Heute ist Uwe Knell schlauer: “Ich habe das ganze Gerenne hinter mir und weiß, wie kompliziert die spanischen Ämter sind. Du rennst zig Mal hin und jedes Mal fehlt ein anderes Papier, von dem sie dir vorher aber gar nichts erzählt haben. Wenn du dich hier nicht selbst um alles kümmerst, dann bist du verloren. Die meisten Deutschen denken immer, dass es in Spanien weniger bürokratisch zugeht, doch das Gegenteil ist der Fall.“
Aber nicht nur bürokratische Hindernisse und menschliche Fallen tun sich auf, in die die Knells blauäugig hineintappen. „Wir sind einfach betrogen worden, auch von den eigenen Landsleuten, und weil wir auch nicht so gut spanisch können, konnten wir uns dagegen gar nicht wehren“, sagt Eva Knell rückblickend. Die Knells hatten deutsche Hilfe in Anspruch genommen und eine Garage für ihre Möbel aus Deutschland gemietet. Was sie nicht wussten: der deutsche Vermieter war selber Mieter der Garage und prellte bei dem spanischen Besitzer die Zeche. Als die Knells zwei Jahre später ihre alten Möbel abholen wollen, lässt sie der echte Vermieter nicht an die Möbel ran. Erst gegen eine Sonderzahlung bekommen die Neu-Spanier ihr altes Gut zurück.
Mittlerweile haben Eva und Uwe ein kleines Baugeschäft eröffnet. Die 51-Jährige bietet außerdem anderen Auswanderern ihre tatkräftige Unterstützung bei Behördengängen an. Die Knells haben es geschafft und ihre neue Heimat gefunden. Doch das geht nicht allen so…
Heike (37) und Klaus (34) Trumpa verschlug es 2004 nach Bolivien. Die Arbeitsmarktperspektive in Deutschland war für Klaus nach dem Studium mehr als mager. Über eine Job-Börse erfährt er von den Job-Möglichkeiten in Lateinamerika und überredet seine Frau, mit zu kommen. Völlig unvorbereitet landen die zwei in der fremden Welt, wo Klaus als Niederlassungsleiter einer Marketingagentur für bolivianische Reiseveranstalter gutes Geld verdienen kann. Das ist zwei Jahre her. Heute wissen beide, dass sie ihre Auswanderpläne zu unbedarft angegangen sind. Was sie in Bolivien erwarten würde, mit welchem sozialen Umfeld sie konfrontiert werden und wie unterschiedlich die Mentalität der Menschen ist, das alles haben sie nicht bedacht. Vor drei Monaten hat Heike in Bolivien ihre Tochter Neira zur Welt gebracht, seit her sind sich die jungen Eltern sicher, dass sie ihr Kind nicht in Bolivien groß ziehen wollen. Am 15. Dezember bringt sie ein Flugzeug zurück in ihre Heimat, wo ihre Eltern zum ersten Mal ihre Enkelin in den Arm schließen werden.
Dass es ihnen in Bolivien schlecht ergangen ist, kann man nicht behaupten. Klaus hat gutes Geld verdient. Allerdings nicht gut genug, denn wer in Bolivien ein sorgenfreies Leben führen will, der muss ein hohes Einkommen haben. „Die Krankenversicherung ist miserabel. Selbst die private Krankenversicherung hat nur eine Deckungssumme von 5000 Dollar und das reicht nicht aus, wenn man mal wirklich was hat.“ Seit ihre Tochter Neira da ist, macht ihnen das noch mehr Probleme. Und auch die Frage, welche schulischen Möglichkeiten für das kleine Mädchen anbieten, hat sich als unüberwindbares Hindernis für die Trumpas aufgestellt. „Die öffentlichen Schulen sind vom Bildungsniveau her so schlecht, das kann man sich gleich sparen. Und eine Privatschule werden wir uns nie leisten können“, stellt Klaus Trumpa resigniert fest.
Bis zur Abreise gibt es noch viel zu tun: die Möbel und das Auto müssen verkauft werden, Hund Eule muss an die Transportbox gewöhnt werden, Heikes Mutter bekommt eine Liste mit Dingen, die sie bis zur Heimkehr ihrer Tochter besorgen muss etc. Die größte Sorge der Heimkehrer: wie geht es beruflich in Deutschland weiter? Heike hofft, dass sie in ihrer alten Firma unterkommen kann. Klaus weiß noch nicht, wie es weitergeht. Er schreibt von Bolivien aus Bewerbungen. „Aber das ist schwierig, denn wenn die sehen, dass Klaus noch in Bolivien ist und nicht mal eben zu einem Vorstellungsgespräch vorbeikommen kann, landet seine Bewerbung direkt auf der Absage-Liste.“ Heike freut sich auf Deutschland. In Bolivien ist sie nie wirklich heimisch geworden. Sie hat nur sehr wenige Freunde gefunden und lebt isoliert mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann. Grund für die Isolation ist nicht zuletzt auch, dass sie ohne ein Wort Spanisch zu sprechen in dieses exotische Land kam. Sie vermisst ihre Freunde und die Familie, den Regen, die deutsche Pünktlichkeit und das geregelte Leben.
Verrückte Hühner – Wilde Kerle
Kinderloses Deutschland? Trotz ungewisser Zukunftsaussichten wünschen sich die meisten Jugendlichen eine Familie mit Kind. Laut neuer Shell-Jugendstudie vom 21. September 2006 äußerten junge Männer seltener einen Kinderwunsch als Frauen. Im Zweifelsfall geht die Karriere vor. 37 Grad hat zwei kinderreiche Familien besucht, die jeweils nur Töchter beziehungsweise nur Söhne haben. Welche Unterschiede gibt es zwischen den Familien?
Das Sechs-Mädel-Haus
Eine reine Mädchen-Welt
Katharina und Bernhard Heitsch aus Hamburg haben fünf Töchter zwischen zwei und 13 Jahren und einen Hund namens Pelle. Hier geht es sehr viel ruhiger zu, als in einer „Männerfamilie“. Ein typischer Mädchenhaushalt.
Bei der Erziehung von Mädchen werden nach wie vor traditionelle Prioritäten gesetzt. Das fängt schon in der Wiege an. Selbst wenn Eltern versuchen hier gegenzusteuern, bewirken Großeltern, Onkel und Tanten mit ihren Geschenken das Gegenteil. Jungs bekommen die Ritterburg, die Mädchen hingegen ein Schminkköfferchen, und immer wieder die unvermeidliche Barbie.
Papa mit fünf Mädchen
In der Nähe von Hamburg wohnt die Familie Heitsch. Fünf Töchter zwischen zwei und 13 Jahren hat der 39-jährige Vater Bernhard täglich zu versorgen. Er schmeißt den Haushalt und kocht, da sein Job als Kinderanimateur und DJ erst abends beginnt. Der zweite männliche Bewohner heisst Pelle und ist der Familienhund. Tiere spielen überhaupt eine große Rolle im Leben der fünf jungen Damen.
Katharina Heitsch, Grundschullehrerin, hat ihren Mann Bernhard vor 24 Jahren kennengelernt und ist seitdem mit ihm zusammen. Da Bernhard keine schöne Kindheit hatte, wünschte er sich eine große Familie mit vielen Kindern; das Geschlecht ist ihm nicht wichtig. Seine Mutter starb als er zwei Jahre alt war. Unter seinem strengen Vater, der versucht hat aus ihm einen richtigen Kerl zu machen, litt er sehr. Er glaubt, dass seine "Mädchen-Familie" kein Zufall ist.
Mädchen-Haushalt
"Ganz typisch Mädchenhaushalt ist das hier", sagt Bernhard. "Das ist ja nur eine kleine Kollektion von Haarreifen, die ich beim letzten Aufräumen irgendwie hier zusammen getragen habe, und dann geht es hier so weiter. Das ist auch nur eine mini-kleine Auswahl von dem, was hier ab und zu wieder rein kommt. Das ist wie in anderen Haushalten die Bleistifte. Also ich würde mal sagen, dass wir 1500 Haarbänder hier im Haus haben".
Das Zimmer von Marie ist der Traum in rosa schlechthin. Tapete, Bettwäsche, Spiegel, Dosen und Döschen, Bilderrahmen und Taschen - alles von zartrosa bis pink. Marie, sieben Jahre alt, mittendrin, zum Teil auch in rosa gekleidet und glücklich. Die zweijährige Mathilda, die sich gerne Anke nennt, und die sechsjährige Josefine teilen sich ein gemütliches Zimmer. Die beiden verstehen sich gut, malen und basteln viel zusammen. Ärger gibt es zwischen ihnen selten. Das ist bei den großen Schwestern anders. Pauline und Lena bekommen schon eher mal Streit.
Freizeit auf dem Ponyhof
Die zweite Heimat der Familie Heitsch ist der Ponyhof in der Nähe. Alle Töchter reiten hier, so wie die Mutter es früher ebenfalls tat. Für Bernhard ist es allerdings weniger interessant. Doch seine Dauerkarte beim HSV gehört der Vergangenheit an.
Und auch Urlaub nach seinem Geschmack sähe anders aus: "Ich kann mir gut vorstellen, Wassersport oder eine Woche lang Ballsport zu machen. Ich könnte mir auch vorstellen, eine Woche lang mit dem Kanu unterwegs zu sein. Aber das kann ich mir alles zusammen mit dieser Familie nicht so gut vorstellen." Es sei denn, das sechstes Kind wird ein Junge. "Das würde hier einiges durcheinanderbringen", befürchtet Katharina - doch abgeneigt sind beide nicht.
Der Jessen-Clan
Eine eingeschworene Männergemeinschaft
Sylvia und Jörg Jessen aus Denzlingen haben fünf Jungen. Der älteste ist achtzehn Jahre alt, der jüngste gerade mal zwei Jahre alt.
Langweilig wird es hier nie.
Niemand bezweifelt, dass Männer und Frauen einfach anders sind. So verwundert es nicht, dass Söhne auch eine andere Erziehung brauchen als Töchter. Die Jessen-Jungs beweisen es: hier ist eine Extraportion Bewegung nötig, damit aus den kleinen Jungen glückliche Männer werden.
Starke Jungs
"Es ist etwas tolles, sie heranwachsen zu sehen und zu beobachten, was aus ihnen wird", sagt Mutter Silvia. "Die Energie, die hier in dieser Familie steckt, entsteht durch die Jungens." Tagsüber ist Silvia Hausfrau, abends geht sie arbeiten. Um noch etwas Geld in die Kasse zu bringen, arbeitet sie zusätzlich in einem kleinen Restaurant.
Der Vater, Jörg Jessen, ist 38 Jahre alt und technischer Angestellter in einer Werkzeugfabrik. Seit 20 Jahren ist er mit Silvia verheiratet. Beide wünschen sich so sehr ein Mädchen, doch bisher hat es einfach nicht geklappt. Wäre vorher einmal ein Mädchen dabei gewesen, hätten sie vermutlich nicht fünf Jungs, erzählen sie
Das Wunschkind
Doch Silvia träumt noch immer von einer Tochter. Einmal war es fast so weit. Sie war schwanger. "Wir haben uns wahnsinnig gefreut. Natürlich bin ich auch gleich losgegangen, rosa Sachen einkaufen, endlich, und zwei Wochen lang waren wir in dem Glauben, eine Tochter zu bekommen. Das war eine ganz tolle Zeit, eine ganz intensive Zeit. Tagelang sind wir auf einer Wolke geschwebt."
Bei einer nächsten Kontrolluntersuchung kam die Ernüchterung. Der Arzt hatte sich geirrt. Es war wieder ein Sohn. "Ich habe geheult, ich war fertig", berichtet Silvia. "Psychisch ging es mir phasenweise richtig schlecht, weil ich gedacht habe, ich bin zu blöd dazu."
Immer in Bewegung
Seine Jungens sind seine Kumpels. Vater Jörg ist stolz auf seine Jungs und wenn möglich, immer gerne mittendrin. Hin und wieder gibt es auch mal eine Platzwunde am Kopf, aber richtig ernsthaft verletzt sich bei den ständigen Raufereien niemand. Revierverteidigung ist hier Alltag.
An den Wochenenden geht es meistens raus und wie üblich bei vielen Geschwistern, gibt es Stress. Schon vor dem Start, bei der Verteilung der Sitzordnung im Auto - wer darf vorne sitzen, wer darf am Fenster sitzen.
Silvias kleine Welt
Im Schlafzimmer hat sich Silvia eine kleine private Ecke eingerichtet, in der ihre sechs Männer nichts zu suchen haben. Hier steht ein Schreibtisch und ihr Computer auf dem sie Grußkarten bastelt. In ihrer eigenen Kindheit gab es kein Platz für rosarote Mädchenträume und auch kein eigenes Kinderzimmer.
"Dieses Mädchen sein, Kind sein, das würde ich einer Tochter gerne mitgeben", erzählt sie. "Ich gebe natürlich meinen Jungs einiges mit, aber das bin nicht ich 'in klein'. Das ist einfach ein anderes Geschlecht. Noch mal das geben können, was ich nicht bekommen habe: Zuneigung, Spielen, Kind sein. Doch, das würde ich gerne noch mal machen.
Mein geliehenes Kind
Die 42jährige Kerstin Holstein hatte das Thema Kinder schon abgehakt. Als sie sich gerade von ihrem Freund getrennt hatte und von Berlin nach Köln gezogen war, die große Überraschung: sie ist schwanger. Das große Glück wird von einer niederschmetternden Diagnose zerstört. Die allein stehende Ärztin leidet an Multiple Sklerose. Eine unheilbare Krankheit. Der kleine Felix kommt gesund zur Welt. Doch für seine Mutter ist klar, sie kann alleine nicht für ihn sorgen. Sie muss ihr geliebtes Baby in die Obhut einer fremden Familie geben.
Des einen Unglück, ist des anderen Glück. Eine junge Familie hat gerade die Prüfung als Pflegeeltern bestanden; sie sind bereit, den kleinen Felix aufzunehmen. Ein bürokratischer, umständlicher und sehr emotionaler Prozess, auf den sich das Ehepaar gerade mal drei Wochen vorbereiten kann. Sie können keine eigenen Kinder bekommen und freuen sich auf das Baby wie auf den eigenen Nachwuchs. In zwei Wochen, wenn die leibliche Mutter aus der Therapie entlassen wird, soll das Kind endgültig übergeben werden. Die Anbahnung zwischen Pflegeeltern und Bereitschaftspflegemutter hat schon statt gefunden. Ob der kleine Felix jemals zu seiner Mutter zurückkehren wird, ist ungewiss.
Jährlich kommen ungefähr 10.000 Kinder in Deutschland zu Pflegefamilien. 30.000 Kinder landen in Kinderheimen. "Wir brauchen mehr Pflegeeltern", teilen die Jugendämter mit, weil sie viele hilfsbedürftige Kinder, vor allem solche, die älter als sechs Jahre sind, in Kinderheimen unterbringen müssen. Gründe, warum Kinder zu Pflegekindern werden, gibt es viele: Gewalttätigkeit in der Familie, Misshandlungen, Missbrauch und schwerwiegende Vernachlässigung können zu Sorgerechtsentzug führen. Aber auch durch Krankheit oder Todesfall können Familien gezwungen sein, ihre Kinder in die Obhut von Pflegefamilien zu geben.
Bei Michelle und Marcel stand früh fest, dass ihre leibliche Mutter nicht für sie sorgen kann. Die junge Frau lebt an der Armutsgrenze, ist äußerst labil. Beide Kinder kommen als Babys in eine Pflegefamilie, die bereits eine Adoptivtochter und ein weiteres Pflegekind haben. Das Ehepaar, das selbst keine Kinder haben kann, träumte immer von einer Großfamilie. Und nimmt dafür etliche Belastungen in Kauf. Einmal im Monat fährt die Pflegemutter mit Michelle (6) und Marcel (5) zu deren leiblicher Mutter. Ein Aufeinandertreffen von zwei Welten: soziale Sicherheit hier und soziale Verarmung da. Auch für die Kinder keine leichte Begegnung. Ihre leibliche Mutter sprechen sie mit Vornamen an, die Pflegemutter mit "Mama". Ein Betreuer vom Jugendamt ist immer dabei. Ein Treffen auf neutralem Boden.
37° zeigt ein intensives Porträt von auseinander gefallenen und zusammen gewürfelten Familien. Und Kindern, die ein neues Zuhause gefunden haben. Wenn auch nur Übergangsweise.
Wächst du noch?
Es gibt mehr als vier Millionen Deutsche mit einer Körpergröße von 1,80 Meter. Heute werden 18-jährige Jungen durchschnittlich 1,78 Meter groß, Mädchen liegen bei 1,65 Meter, so sagt das Robert-Koch-Institut. Vom Kleinwuchs sind in Deutschland rund 100.000 Menschen betroffen. Die Ursachen sind vielfältig. Sicher ist nur, dass sich der Kleinwuchs medizinisch nicht behandeln läßt und offiziell als Behinderung gilt.
Für den kleinwüchsigen Thomas Wohlmann war das Leben immer recht mühsam. Er fühlte sich oft allein und isoliert. Als seine Klassenkameraden ihre ersten Liebeserfahrungen sammelten, saß er zu Hause - ohne Freundin. Bei normal großen Frauen hatte er keine Chance. Erst mit 30 Jahren lernte Thomas Wohlmann seine Frau Ulrike im "Verband der Kleinwüchsigen" kennen. Sie haben sich gesucht und gefunden, sagen sie. Beide 1,31 Meter - keiner musste zum anderen aufschauen. Schon nach kurzer Zeit stand fest: Wir bleiben zusammen! Sie heirateten 1999. Die schwere Entscheidung Kind ja, Kind nein haben beide lange und gründlich überlegt. Freunde und Eltern waren strikt dagegen.
Das Risiko, ein kleinwüchsiges Kind zu bekommen, lag bei 50 Prozent. Das wäre für sie eigentlich kein Problem gewesen. Doch sie mussten auch mit dem zusätzlichen 25-prozentigen Risiko rechnen, ein nicht lebensfähiges Kind zu zeugen. Sie hatten Glück. Ihre Tochter Amelie ist völlig gesund und wird eine normale Größe erreichen.
Klein zu sein macht das Leben schon sehr umständlich, aber auch ein zu großer Körper verursacht täglich viele Probleme. Antje Dethloff ist 42 Jahre alt und misst 2,09 Meter. Auch mit der Kleidung ist es äußerst schwierig. Damenschuhe in Größe 46 zu finden, ist noch das kleinste Problem. Aber ein günstiges Schnäppchen zu ergattern, mal aktuelle Mode kaufen zu können ist für die Kielerin ein Traum, der wohl nie in Erfüllung gehen wird. "Ich lebe nicht mit der Mode, sondern ich lebe nach dem, was ich bekomme" sagt Antje. Alles was sie bräuchte, ist zu eng, zu kurz, zu klein. Nichts passt richtig: ob Kleidung, Schuhe, Badewannen oder Betten.
Besonders ungerne erinnert sie sich an die Zeit ihrer Pubertät. Bereits in der Schule wurde sie ständig wegen ihrer Größe gehänselt. Das sind seelische Narben, die bleiben.
Traurig wird Antjes Geschichte, wenn sie von ihrer ungewollten Schwangerschaft erzählt. Noch vor der Geburt ihrer Tochter Nadine verläßt sie den Vater des Kindes. Sie kämpft sich alleine durch, immer wieder geplagt von starken Rücken- und Brustschmerzen. Zehn Tage vor der Geburt muss sie ins Krankenhaus. In dieser Zeit erfährt Antje, dass sie an dem Marfan-Syndrom leidet: eine Bindegewebsschwäche, die vor allem die Blutgefäße betrifft.
Antje bekommt ihr Kind durch einen Notkaiserschnitt, da die Blutgefäße die Wehen nicht ausgehalten hätten. Mit ihrer Tochter Nadine teilt sie zwei große Gemeinsamkeiten: den Hochwuchs und diese unheilbare Krankheit. Kurz nach der Entbindung bekommt Antje eine neue Herzklappe, muss in die Reha-Klinik und kann sich in den ersten Monaten nicht um ihr Baby kümmern. Das macht ihr sehr zu schaffen.
Antjes Tochter Nadine ist mittlerweile 15 Jahre alt, ein fröhlicher Teenager und mit 1,86 Meter deutlich größer als ihre gleichaltrigen Freundinnen. Antje trifft eine schwerwiegende Entscheidung: sie lässt das Wachstum ihrer Tochter hormonell stoppen. Die Nebenwirkungen sind ihr bewußt. Im Alter von 14 Jahren hat Nadine ihre Pubertät bereits hinter sich.
Als Rolf Mayr 1964 geboren wird, überrascht er seine Eltern mit einer Länge von 60 Zentimetern. Mit zehn Jahren ist er 1,66 Meter groß. Im Alter von 16 Jahren übertrifft er mit einer Länge von 2,22 Meter alle Erwartungen.
Den geduldigen Hünen kann aber doch in Rage bringen, wenn er wegen Äußerlichkeiten abgelehnt wird. "Guck mal der Lange da" oder eben die üblichen dummen Sprüche. "Wie ist die Luft da oben?" All diese dummen Sprüche, die man schon 25.000 Mal gehört hat. "Beim ersten Mal lacht man noch, beim zehnten Mal ist es gequält, und beim 100. Mal möchte man dem anderen nur noch eine reinhauen", gesteht Rolf.
Ich will ein Baby ohne Mann - Interview mit Ina Ganschow, Vereinsvorsitzende von „Aktion Kinderwunsch e.V.“
Warum haben Sie „Aktion Kinderwunsch“ gegründet?
Wir haben die Aktion Kinderwunsch 2007 in Leipzig gegründet. Unser gemeinnütziger Verein hat mittlerweile 100 Mitglieder, das ist uns natürlich noch viel zu wenig. Dafür dass unser Thema eine solche Dimension hat. Wir, als Betroffene, wollen auf den Missstand in Deutschland hinweisen. Menschen, die sich Kinder wünschen, aber keine bekommen können, werden in unserer Gesellschaft alleine gelassen. Wir betreiben Öffentlichkeitsarbeit, damit sich das ändert. Dabei setzen wir uns für alle ein, egal ob alleinstehende Frauen, gleichgeschlechtliche Paare, verheiratet, unverheiratet, jeder sollte das Recht haben, ein Kind bekommen zu können. Dabei müssen Behandlungen nach den aktuellen medizinischen Kenntnissen erfolgen ebenso wie Veränderungen unserer Lebensformen Berücksichtigung finden sollten.
Warum sind in Deutschland dafür die Bedingungen so schlecht? Und was fordern Sie konkret von der Politik?
Die finanzielle Bezuschussung ist katastrophal. Es könnte eigentlich viel mehr Kinder in Deutschland geben, aber viele Menschen können sich eine Kinderwunschbehandlung schlichtweg nicht leisten. Die gesetzlichen Grundlagen sind einfach zu schlecht. Das sieht im europäischen Ausland zum Teil viel besser aus. Die Skandinavier sind viel weiter als wir. Da kann jede Frau sagen, ich möchte ein Kind und dann zur Samenbank gehen. Auch in Bezug auf die Präimplantationsdiagnostik stehen wir schlecht da. Wir fordern daher eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes. Bei uns ist es absurd, man darf Embryonen im Mutterleib abtreiben, aber nicht vorab im Labor untersuchen. Und wir fordern Behandlungsmöglichkeiten – für alle Frauen. Egal ob lesbisch oder alleinstehend.
Wie reagiert die Politik auf Ihre Forderungen?
Wir haben bislang kaum etwas erreicht - aber steter Tropfen höhlt den Stein. Wir versuchen, immer wieder auf den Missstand aufmerksam zu machen. Erst im Frühjahr haben wir eine sehr schöne Ausstellung in Berlin organisiert. Die kam sehr gut an. Dass die Politiker so verhalten auf unsere Forderungen reagieren, kann ich nicht nachvollziehen. Die denken immer nur daran wie sich Kosten umgehend reduzieren lassen. Es gibt Studien, die besagen, dass eine Bezuschussung von reproduktionsmedizinischen Behandlungen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Demographie hätte. Es wäre eine geringe Investition: ein Kind bzw. der erwachsene Mensch würde viel mehr einbringen als die Befruchtung kostet. Doch das wird nicht bedacht.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, dass es in Deutschland so schwer ist, sich künstlich befruchten zu lassen.
Uns macht der gesundheitliche Aspekt am meisten Sorgen. Alleinstehende Frauen, die sich ein Kind wünschen, infizieren sich leicht mit HIV. Nicht jede Frau hat die finanziellen Möglichkeiten jeden Monat nach z.B. Dänemark zu fahren. Diese Frauen tingeln in den Phasen des Eisprungs durch die Bars oder suchen im Internet nach einem Samenspender. Auf den einschlägigen Seiten finden Sie Spender und sicher werden dort oft die Gesundheitszeugnisse gefälscht. Es ist fahrlässig, die Frauen in solch eine Lage zu bringen. Ich meine, dass es auch die Aufgaben einer Gesellschaft ist, sich um die Gesundheit dieser Frauen zu sorgen.
Ist das Thema ein Tabuthema in Deutschland?
Ja, auf jeden Fall. Niemand stellt sich gerne hin und sagt, ich bin unfruchtbar. Ich persönlich bin damit sehr offen umgegangen, doch die meisten verheimlichen es. Für Männer ist natürlich besonders schwer, zu sagen, dass sie keine Kinder zeugen können. Deswegen wollen wir den Menschen eine Stimme verleihen. Die Betroffenen selber sind in der Situation sprachlos. Sie stecken oft in einer Krise, hängen in ihrer Trauer fest. Die Menschen haben keine Energie. Sie bekommen kaum psychologische Unterstützung und finanziell stehen sie sehr unter Druck.
Wie stehen Sie zu anonymen Samenspenden?
Wir sind für die offene Variante. Ich persönlich meine, dass jedes Kind, das Recht haben sollte, nach seinen Wurzeln zu suchen. Aber dennoch ist es eine persönliche Entscheidung, die jede Frau selbst treffen muss.
Was halten Sie davon, wenn gleichgeschlechtliche Paare ein Kind auf künstlichem Weg zeugen?
Jeder - egal in welcher geschlechtlichen Konstellation - sollte den freien Zugang zu einer Kinderwunschbehandlung haben. Ich bin für keinerlei Restriktionen oder für die Aufstellung eines Kriterienkatalogs. Bei heterosexuellen Paaren wird ja auch nicht vorher geprüft, ob sie reif genug sind, ein Kind großzuziehen. Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren sind sehr gewollte Wunschkinder und das ist wichtig.
Haben Sie sich persönlich auch künstlich befruchten lassen?
Ich hatte drei Jahre versucht, mit meinem Partner ein Kind zu bekommen. Dann stellte man fest, dass er unfruchtbar ist. Ich war damals 33 Jahre alt, meine biologische Uhr tickte. Für mich war es selbstverständlich, dass wir eine künstliche Befruchtung machen lassen würden. Doch nach viel Hin- und Her entschied sich mein Partner dagegen. Er wollte noch warten. Ich habe ihm auch Alternativen, wie Adoption oder Samenspende vorgeschlagen. Er wollte definitiv nicht. Damals bin ich in ein großes Loch gefallen und habe mich am Ende getrennt. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen. Ich wünschte mir so sehr ein Kind.
Heute haben Sie einen zweijährigen Sohn?
Ich habe durch Zufall einen schwulen Mann getroffen. Er wünschte sich auch ein Kind und wusste ebenfalls nicht wie. Wir entschieden dann durch private Samenspende ein Kind zu zeugen – und es hat geklappt. Ich wollte immer einen aktiven Vater für mein Kind und bin sehr glücklich mit dieser Lösung. Mein Sohn ist am Wochenende bei seinem Vater, in der Woche lebt er bei mir, es läuft gut. Wenn die Zeugung nicht auf diese Weise geklappt hätte, wäre ich nach Dänemark in eine der Kliniken gefahren.