40+ - Jetzt oder nie
Schonungslos sezieren Frauen ihr Äußeres und die Frage "Findest du mich zu dick?" kennt nahezu jeder Mann. Nicht nur prominente Frauen geben Antwort – Männer ergänzen die weiblichen Außen- und Innenansichten mit kritischen, spitzen, süffisanten, aber respektvollen Alltagsbeobachtungen.
Früher nannte man sie die Männer in den besten Jahren. Heute zählen sie in manchen Branchen eher schon zum alten Eisen: Männer, jenseits der 40. Wenn die zweite Halbzeit des Lebens erreicht ist, beginnt biologisch der Muskelabbau, Fettgewebe setzt an und die Leistungsfähigkeit lässt nach - und die Midlife Crisis droht! Die Antwort darauf, was „Mann“ dann treffen kann, gibt dieser zweite Film der tragisch-komischen Dokumentation-Reihe.
„Die Baby-Boomer Generation, die Mitte der 60er geboren ist, ist auf alle Fälle nicht anti-kapitalistisch. Die ist konsumfreudig und nutzt das als Abgrenzung,“ sagt Schauspielerin Maren Kroymann zu Beginn der dritten Dokumentation. Damit beginnt die Spurensuche in der Kindheit und Jugendzeit der heutigen 40 – bis 50Jährigen, die vielleicht gerade das Phänomen einer Midlife-Krise erleben. Die Dokumentation macht sich mit vielen Zeitzeugen aus den Geburtenjahrgängen der 50er und 60er auf die Suche nach einer Antwort, wieweit die „Heidschi-Bumbeidschi“-Generation die enormen technischen Veränderungen der letzten 30 Jahre verarbeitet hat, wie sie dem Aufbruch in eine politische Neuzeit seit 1989 begegnet ist und wie sie das rasante Tempo der wirtschaftlichen Veränderungen verkraftet.
Ich krieg' die Krise: Die Frauen
Die Midlife Crisis galt lange als Männersache. Doch wenn die Mitte des Lebens erreicht ist, sind auch Frauen reif für die Krise. "Ich glaube, Frauen sind sehr kritisch sich selbst und anderen gegenüber", sagt Buchautorin Amelie Fried. Schonungslos sezieren Frauen ihr Äußeres und die Frage "Findest du mich zu dick?" hat nahezu schon jeder Mann gehört. Die Frage "Bin ich noch schön?" bedeutet heutzutage, sich an Demi Moore oder Madonna messen zu lassen. Die Sehnsucht nach ewiger Jugend wird von den Medien befeuert wie nie zuvor.
Regina Halmich, Ex-Weltmeisterin im Boxen, steuert gerade auf die 40 zu: "Wir Frauen machen uns einfach einen unheimlichen Druck und wenn wir mal ´ne Vier oder Fünf davor stehen haben, ist da so ein kleines Teufelchen, wir versuchen alles, aber auch wirklich alles, um das Alter zu stoppen." Schönheit, Sex, Partnerschaft, Muttersein, Karriere sind die Themen der weiblichen Midlife Crisis. Das Thema "Kinder: ja oder nein?" wird oft zur existentiellen Entscheidung.
Kim Fisher, Entertainerin, ist 43 Jahre alt und Single: "Da spricht man dann immer so unschön vom Ticken der Uhr. Und da gibt es ja verschiedene Gründe, warum eine Frau in meinem Alter keine Kinder hat, das sind ja persönliche Gründe – und das sind dann schon die Momente, wo du darüber nachdenkst. Und wer weiß, vielleicht ist das die Midlife Crisis."
Schauspielerin Maren Kroymann sieht Kinderlosigkeit nicht nur als ein persönliches, sondern auch als ein gesellschaftliches Thema: "Also kein Kind zu haben, das ist schon ein Erklärungsnotstand.
Für andere Frauen beginnt in der Lebensmitte ein neuer Abschnitt, wenn die Kinder das Haus verlassen: "Dann wird man letztendlich zurück geworfen auf sich selbst, auf diese Zweiergeschichte. Dann stellt sich schon heraus, hat man überhaupt noch Gemeinsamkeit oder was redet man eigentlich oder was verbindet uns eigentlich, außer unsere Kinder", beschreibt es Regisseurin Ariane Zeller.
Scheidung, auch das ist ein Thema in der Frauen-Doku zum Thema Midlife Crisis. Was ist, wenn der Mann eine Andere nach 20 Jahren vorzieht? Was bleibt noch, wenn die Frau ihr Berufsleben zu Gunsten der Karriere des Mannes und der Kinder zurückgestellt hat? Natascha Ochsenknecht wurde jüngst von Ehemann Uwe geschieden, mit einigen Start-Schwierigkeiten: "Ich war überhaupt nicht abgesichert. Mir wurden alle Sachen und Karten abgenommen und ich stand ohne was da und hatte am Anfang 400 Euro Unterhalt." Wie aber steht es um die Treue in der Ehe? Sind Männer verführbarer als Frauen? Regina Halmich hat eine klare Position dazu: "Die Frauen sind da ein bisschen schlauer, die behalten ihr kleines Geheimnis für sich. Und beim Mann kommt es meistens so irgendwie raus."
Die Dokumentation berührt Aspekte und Themen, die Auslöser für eine Krise bei Frauen in der Lebensmitte sein können – mal tragisch, oft humorvoll, mal boshaft und analytisch, meist emotional und sehr persönlich. Nicht nur prominente Frauen beziehen ausgiebig zu den Fragen nach der Mitte des Lebens Stellung – Männer ergänzen die weiblichen Außen- und Innenansichten mit kritischen, spitzen, süffisanten, aber respektvollen Alltagsbeobachtungen.
Ich krieg' die Krise: Die Männer
Früher nannte man sie die Männer in den besten Jahren. Heute zählen sie in manchen Branchen eher schon zum alten Eisen: Männer, jenseits der 40. Wenn die zweite Halbzeit des Lebens erreicht ist, beginnt biologisch der Muskelabbau, Fettgewebe setzt an und die Leistungsfähigkeit lässt nach. Die Haare werden langsam grau, auf jeden Fall dünner und fallen manchen komplett aus. Beruflich sind beim Mann in der Mitte es Lebens die größten Schritte gemacht, die feste Partnerin ist an seiner Seite, Kinder wachsen heran und das Häuschen muss abbezahlt werden.
Der Lebensplan, so scheint es, ist unausweichlich festgelegt. Und dann taucht mit einmal die Frage auf, was kommt jetzt noch oder was ist noch möglich? „Wenn ich es positiv nennen würde, könnte man es Aufwachen in der Mitte des Lebens oder so nennen. Dass jemand plötzlich merkt, er möchte jetzt was anderes machen“, sagt Joachim Masannek, Autor der „Wilden Kerle“, am Anfang der Dokumentation. Und Schauspieler Hans Werner Meyer resümiert: „Es kann sein, dass die Nabelschau, die immer größer geworden ist, dazu führt, dass man in eine Krise gerät, weil das Bild, was man vor sich hat, nicht mehr damit übereinstimmt, was man im Spiegel sieht.“ Doch nicht nur mit nagenden Sinnfragen muss sich der Mann in der Rush-Hour seines Lebens auseinander setzen, auch der Druck von außen wird zur Belastung. Schauspieler Ralf Richter beschreibt den gesellschaftlichen Anspruch, dem sich Männer ausgesetzt fühlen: „Also man muss heute im besten Alter sein, gut aussehen, produktiv sein, dann bist du für die Gesellschaft interessant. Ansonsten nicht. Und in der Angst bewegt man sich, wie ein Hamster, der in so einem Rad läuft.“
In der Dokumentation kommen prominente Männer zu Wort, neben Joachim Masannek, Ralf Richter und Hans Werner Meyer auch der ehemalige Kinderstar Thommy Ohrner, Buchautor Harald Martenstein, Ex-Eiskunstläufer Norbert Schramm, Entertainer Roberto Blanco und Star-Friseur Udo Walz. Sie erzählen von ihrer Konfrontation mit dem Älterwerden, von ihrem Umgang mit der Lebensmitte und ihren Problemen und Krisen in Partnerschaft, Sexualität und im Berufsleben. Es darf aber auch geschmunzelt werden, wenn Thommy Ohrner beispielsweise feststellt, dass „das Sexuelle keine Turnstunde mehr ist, sondern eine gewisse Qualität erreicht.“
Ehrlich, offen, manchmal selbstironisch und auch zugespitzt plaudern aber nicht nur berühmte Männer von den Widrigkeiten des Älterwerdens. Neben ganz normalen Männern, die auf die eine oder andere Weise in die Midlife-Krise gekommen sind, gibt es auch pointierte Statements von nicht prominenten und prominenten Frauen. Darunter Amelie Fried, die Mitgefühl für die Männerwelt entwickelt hat: „An Männer werden so unterschiedliche Erwartungen ran getragen. Sie sollen die tollen Ernährer, Machos, klasse Jungs sein, anderseits sollen sie die sensiblen Partner, liebevollen Väter, die Frauenversteher sein, sie sollen mit in die Schwangerschaftsgymnastik und in die Gebärmutter atmen und sie sollen bei der Geburt dabei sein. Und sie sollen das Kind rumtragen. Gleichzeitig sind viele Frauen dann ganz unfair, weil, wenn die Männer das alles machen, dann werden diese Männer als Weicheier verspottet und nicht mehr ernst genommen.“
Wie läuft es überhaupt in der Beziehung zwischen Mann und Frau? Zeigt sich die Midlife-Crisis des Mannes wirklich darin, dass er „ohne Ende fremdgeht“, wie die Musikproduzentin Kristina Bach unterstellt? Thommy Ohrner will das zumindest nicht ausschließen: „Das ist in unserem Erbgut drin. Der Jäger. Und der Jagdinstinkt hört dann irgendwann mal auf, in einer Ehe. Und plötzlich sagt er: ich bin aber noch da. Der eine kann damit umgehen, der andere wird schwach.“ Wie es Mann und Frau mit der Treue halten, ist natürlich ein weiteres Thema des Films. Doch die Antwort darauf, wie auch auf die Frage, was „Mann“ am besten durch die Midlife-Krise bringt, gibt diese tragisch-komische Dokumentation. Filmszenen unter anderem aus berühmten Hollywood Filmen wie „American Beauty“ belegen, wie dicht die filmische Überspitzung oft an der Wirklichkeit der Männer ist, die zwischen 40 und 50 nochmal etwas bewegen wollen.
Die Generation Midlife
„Die Baby-Boomer Generation, die Mitte der 60er geboren ist, ist auf alle Fälle nicht anti-kapitalistisch. Die ist konsumfreudig und nutzt das als Abgrenzung,“ sagt Schauspielerin Maren Kroymann am Anfang der Dokumentation. Damit beginnt die Spurensuche in der Kindheit und Jugendzeit der heutigen 40 – bis 50Jährigen, die vielleicht gerade das Phänomen einer Midlife-Krise erleben.
Eine Generation, die anders sein wollte als die 68er Generation und damit ihre Eltern vor neue Herausforderung stellte. „In meiner Generation“, analysiert Franz Müntefering, selber Vater von zwei Töchtern, „stellte sich gegenüber den Babyboomern, gegenüber unseren Kindern die Frage, wie muss man die eigentlich erziehen? Darf man die eigentlich einfach laufen lassen oder muss man ihnen auch was mitgeben? Das war für uns so die Frage. Wir waren durchaus bereit den Kindern das zu geben was sie brauchten, aber was tut ihnen gut? Wie viel Orientierung brauchen sie eigentlich?“
In keinem Jahr nach Kriegsende kamen mehr Kinder zur Welt als 1964. „Wir waren immer zu viele“, sagt ein Baby-Boomer. Es ist das Jahr, in dem auch das Musterkind dieser Dokumentation geboren wird. Mit ihm beginnt eine Reise durch vier Jahrzehnte Geschichte der Bundesrepublik mit der Fragestellung, was hat die Generation geprägt, welche gesellschaftlichen Themen haben sie geleitet, wie haben sie politische Ereignisse wahrgenommen? Musik, Filme, Serien gehörten zu einer behüteten Kindheit, um die sich herum die Welt radikal änderte. Ist diese Generation prädestinierter als andere in eine Sinnkrise in der Mitte des Lebens zu geraten?
Erinnerungen werden wach, der Blick zurück auf eine Zeit im Zeichen der Pril-Blume, in der die Werbe-Ikonen Tilly und Clementine die Zweit-Mütter der Heranwachsenden wurden. Thommy Ohrner, selbst Kinderstar Mitte der 70er Jahre, erinnert sich nicht nur an Klick-Klack-Kugel, sondern vor allem an sein Bonanzafahrrad: „Du hast dich gefühlt, wie auf nem Chopper und das war schon ein heißes Teil.“ Die 43 Jährige Entertainerin Kim Fisher träumte als erstes Auto von einer Ente: „Und bin nen Golf gefahren. Kannste mal sehen. Ich wollte immer wild sein und war wahrscheinlich total langweilig sicher.“
Es ist eine Zeit der Veränderung, unter der Politik von Bundeskanzler Willy Brandt wird die Familienpolitik liberaler, Ehebruch und Homosexualität wird nicht mehr unter Strafe gestellt, die Verfügbarkeit der Pille verändert das Sexualverhalten der Heranwachsenden. Die Sängerin und Musikproduzenten Kristina Bach erinnert: „Da bist du ganz stolz zum Frauenarzt gegangen, kamst zu deinen Freundinnen und hast gesagt: ich hab die Pille. Also das war wie ein Ritterschlag. Jetzt bist du eine Frau. Jetzt kannst du Sex haben, ohne schwanger zu werden.“ Und Buchautor Harald Martenstein ergänzt: „Da war also vieles möglich plötzlich, und es gab noch kein Aids. Es war einfach alles da. Empfängnisverhütung. Kein Aids. Liberales Klima. Also diese 20 Jahre müsste es noch mal geben.“
Alice Schwarzer kämpft in den frühen 70ern für die Rechte der Frauen. Den radikalen Feminismus lehnt die Generation der Baby-Boomer aber in weiten Teilen ab: „Die Frauenbewegung, die in diesen Jahren ja dann sehr wichtig wurde, hat natürlich Auswirkungen auf meine Sozialisation als junge Frau gehabt. Aber wir sind wirklich so ein bisschen dazwischen. Wir sind eben nicht mehr diese 68er, wir sind aber auch nicht diese ganz unpolitische Generation die dann danach kam, sondern wir sind irgendwo so n bisschen zwischen Baum und Borke“, schildert die Journalistin Amelie Fried ihre Beobachtungen. Und während die Kanzlerschaft von Brandt und Schmidt innenpolitisch durch den Terror der RAF unter Druck gerät, schaut die Baby-Boomer-Generation eher fasziniert auf die Fahndungsbilder, die in allen Sparkassenfilialen hängen. Schauspieler Hans Werner Meyer, Jahrgang 1964, erinnert: „Also es wurde immer von der Baader-Meinhof-Bande gesprochen, für mich war das immer Räuber und Gendarm, das hatte irgendwie was Bedrohliches aber auch bisschen Abenteuerliches, aber dass es was mit Politik zu tun hatte, das war mir natürlich nicht klar. Aber es war sehr düster.“
Der Wehrdienst und der Ersatzdienst werden in diesen Jahren gleichgestellt, und die volljährigen Babyboomer machen großzügig von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch. Schriftsteller Harald Martenstein entzieht sich dem Dienst an der Waffe mit einer 15seitigen Eingabe: „Ich glaube, wir sind nach 1949 eher eine Softie- und Schlaffi-Nation gewesen, aus guten historischen Gründen. Das Soldatische hatte sich so diskreditiert und war so untendurch, dass nur eine kleine Minderheit Lust aufs Soldatischsein hatte.“
Und auch als Anfang der 80er Jahre die zweite Weltwirtschaftskrise zu hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland führte, schaute die Teenager-Generation eher Disko mit Ilja Richter. Thommy Ohrner blickt behaglich zurück auf diese Zeit: „Man hat sich um Geld keine Gedanken gemacht oder du hast im Elternhaus nicht gespürt, oh, Krise, und ist das Essen noch gesichert oder die Miete? In keinster Weise, also es war schon, eigentlich war es eine sehr aufgehobene Kindheit, ich glaub sogar, dass wir die erste Generation gewesen sind, die wirklich so in Watte gepackt werden konnte, das hatten die Vorläufergenerationen alle nicht bekommen.“
Die Dokumentation macht sich mit vielen Zeitzeugen aus den Geburtenjahrgängen der 50er und 60er auf die Suche nach einer Antwort, wieweit die „Heidschi-Bumbeidschi“-Generation die enormen technischen Veränderungen der letzten 30 Jahre verarbeitet hat, wie sie dem Aufbruch in eine politische Neuzeit seit 1989 begegnet ist und wie sie das rasante Tempo der wirtschaftlichen Veränderungen verkraftet.
Harald Martenstein ist mit seiner Prognose eher pessimistisch: “ Die Idee, dass es jeder Generation ein bisschen besser geht als der Generation, die vor ihr dran war, die ist ja weg. Also die meisten Leute sind hochzufrieden, wenn sie den Lebensstandard halten können, den sie so hatten. Es ist so ein geducktes, ängstliches Abwarten.“